Funktionsbekleidung – die mittlere Schicht

Funktionelle Bekleidungskonzepte bestehen aus mehreren Schichten. Wir klären, was beim Motorradfahren Sinn macht zwischen Unterwäsche und Schutzbekleidung.

Man spricht gerne vom »Zwiebelprinzip« und meint, dass jede Bekleidungsschicht eine bestimmte Aufgabe erfüllt. Ganz unten, also direkt auf der Haut, verrichtet Unterwäsche ihren Dienst. Zwar hat grundsätzlich jegliche Unterwäsche zumindest eine hygienische und eine Komfortfunktion, von Funktionsunterwäsche ist aber gemeinhin dann die Rede, wenn sie in besonderem Maße wärmt oder Feuchtigkeit vom Körper wegtransportiert. Da Kunstfasern der Baumwolle in dieser Hinsicht deutlich überlegen sind, kommen häufig Polyester und ähnliche Materialien zur Anwendung.

Ganz oben, also als äußers­te Schicht sollte sich beim Motorradfahrer die Schutzbekleidung finden, deren Material möglichst abrieb- und reißfest sein muss. Je nach Einsatzgebiet und den klimatischen Bedingungen soll sie den Träger zudem entweder mit möglichst viel Frischluft versorgen oder Feuchtigkeit und Wind abhalten. Letzteres lei­s­ten Membranen in hervorragender Weise und sind dabei doch »atmungsaktiv«, lassen also Wasserdampf entweichen. Damit bildet sich kein Kondenswasser in der Kleidung, und bei starker körperlicher Betätigung entstehender Schweiß kann abtrocknen.

Doch alleine mit Unterwäsche und Schutzbekleidung wird der Motorradfahrer nur bei Temperaturen über 25 Grad dauerhaft glücklich. Und selbst dann lässt der Fahrtwind nach einer Weile den Körper auskühlen. Die Konzentration sinkt, und die körperliche Leis­tungs­fähig­keit nimmt ab. Jetzt wird es Zeit für eine zusätzliche Bekleidungsschicht zwischen Unterwäsche und Schutzbekleidung. Dabei muss diese »Mittelschicht« vielfältigen Anforderungen gerecht werden. Sie soll die von der Unterwäsche aufgenommene Feuchtigkeit weiterleiten, so dass diese nach außen entweichen kann. Daher verbietet sich auch für die Mittelschicht weitgehend der Einsatz von Baumwolle. Kunstfasern, aber auch die gute alte Schafwolle nehmen dagegen selbst kaum Feuchtigkeit auf, sondern leiten sie weiter.

Der Feuchtigkeitstransport weg von der Haut leistet zudem einen wesentlichen Beitrag zum Isolationsvermögen von Bekleidung. Wasser transportiert Temperatur rund 25-mal besser als Luft. Wer in feuchter Bekleidung steckt, fühlt sich also nicht nur kühler, sondern verliert auch tatsächlich viel schneller an Temperatur. Umgekehrt ist Luft ein sehr gutes Isolationsmittel, und Isolation ist die wohl wichtigste Aufgabe der mittleren Bekleidungsschicht.

Ein guter Schutz gegen Wind und Feuchtigkeit von außen ist die dritte große Anforderung. Das erledigt zwar normalerweise die Schutzbekleidung, doch eine zweite windabweisende Schicht hält eine warme Luftschicht am Körper. Das wirkt an kalten Tagen wahre Wunder, zumal der Platz unter Motorradbekleidung oft für dicke Bekleidung knapp bemessen ist. Ganz unterschiedlich sind die Möglichkeiten und Materialien für die Mittelschicht, je nach Vorliebe und Einsatzgebiet. Wir haben uns mal durchgewühlt.

Typen von Funktionsbekleidung

Fleece

Vor gerade einmal 30 Jahren brachte die US-Firma »Malden Mills» Fleece-Bekleidung unter dem Namen »Polartec« auf den Markt. Heute ist sie aus kaum einem Kleiderschrank mehr wegzudenken. Die englische Bezeichnung wird im Deutschen oft mit »Faserpelz« übersetzt, hat aber nichts mit dem ähnlich klingenden Vlies zu tun. Fleece ist ein klassisches Recycling-Produkt. Hergestellt wird die synthetische Wolle aus Polyester, welches wiederum aus alten PET-Flaschen gewonnen werden kann.

Fleece ist kein Gewebe im klassischen Sinn, sondern vielmehr eine Maschenware, bei der die Faserschlaufen aufgeschnitten und anschließend aufgeraut werden. Das Ergebnis hat eine besonders hohe Wärmeisolation bei sehr geringem Gewicht. Gute Fleece-Bekleidung ist heute schon für wenig Geld zu bekommen, knitterfrei, langlebig, leicht zu pflegen, dabei weich, elastisch und einfach ungemein bequem. Wegen des geringen Gewichts und des hohen Wohlfühlfaktors hat Fleece gerade bei Freizeitbekleidung einen unglaublichen Siegeszug hinter sich.

Da der Rohstoff Polyester weitgehend keine Feuchtigkeit aufnimmt und entsprechend schnell abtrocknet, was wiederum dem Isolationsvermögen zugutekommt, ist Fleece gerade als wärmende Zwischenbekleidung nahezu ideal. Und das schnelle Trocknen ist auch für die kurze Wäsche auf längeren Reisen perfekt. Man unterscheidet 100erMicrofleece, das am häufigsten verwendete 200er-Basic und 300er-Qualitäten. Die Zahl gibt das Gewicht in Gramm pro Quadratmeter an. Je größer sie ist, desto dicker und damit wärmer das Fleece.

Bei hochwertigem Fleece mittlerweile weitgehend zu vernachlässigen, kann es bei günstigen Modellen zu elektrostatischen Aufladungen kommen. Vorsicht ist beim Kontakt mit offenem Feuer geboten. Am Lagerfeuer sorgt schon der kleinste Funkenflug für beachtlichen Lochfraß. Qualitativ hochwertige Fleece-Bekleidung neigt auch nach mehreren Dutzend Wäschen nicht zur Knötchenbildung, dem so genannten »Pilling«.

Softshell

Softshell ist eine noch sehr junge Bekleidungsgeneration, wobei der Begriff oft für ganz unterschiedliche Bekleidung verwendet wird. Grundsätzlich verschmelzen bei Soft-
shell-Jacken die Vorzüge unterschiedlicher Hightech-Textilien. Sie bestehen meist aus zwei oder drei laminierten Schichten. Oft ist das Material bielastisch, lässt sich sowohl in Längsrichtung als auch quer dehnen und passt sich hervorragend jeglicher Bewegung an. Eine glatte und robuste Außenhaut mit einer wind- und wasserdichten Membran wird mit einer  ebenfalls glatten oder fleeceartigen Innenschicht zu einer Einheit verbunden. Von außen hält die Jacke problemlos auch scheuernden Rucksackgurten stand, während der Träger im Inneren von Wind und Regen weitgehend unbehelligt bleibt.
Hundertprozentig wasserdicht sind Softshells aber nicht, denn die Nähte werden nicht versiegelt. Dafür sind Soft­-­shells oft deutlich atmungsaktiver als Regenschutzbekleidung und trocknen schneller. Dabei sind sie unschlagbar im Verhältnis zwischen Tragekomfort, Klimaschutz und Gewicht.
Auch unter eng anliegenden Lederkombis haben Softshells noch Platz und halten effektiv den Fahrtwind fern, ohne die Bewegungsfreiheit einzuschränken. Beim Enduro-Wandern schützen sie vor schnellem Auskühlen, bieten aber gleichzeitig eine hohe Atmungsaktivität. Tourenfahrer schätzen gerade auf längeren Reisen die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten; machen die Jacken doch auch bei abendlichen Aktivitäten abseits des Motorrads eine gute Figur. Auch im Hinblick auf den Preis sind die vielseitigen Ja­-cken eine echte Alternative und kaum teurer als ein Fleece-Pulli entsprechender Qualität. Jacken mit einem eher fleeceartigen Innenmaterial sind meist etwas wärmer.

Windstopper

Windstopper wurde von W.L. Gore primär für Rad- und Skifahrer entwi­ckelt, die neben Kälte auch starkem Wind ausgesetzt sind. Die Windstopper-Membran hat größere Poren als die klassische Gore-Tex-Membran und ist daher deutlich atmungsaktiver. Sie hält nicht dem gleichen Wasserdruck stand und wird auch nur als »wasserfest« bezeichnet, zumal die Nähte nicht abgeklebt sind. In der Praxis ist die Bekleidung aber genau wie Soft­­shell-Jacken abgesehen von Dauerregen fast jedem Wetter gewachsen. Die Windstopper-Membran wird immer als Laminat, meis­tens in  Verbindung mit Fleece angeboten, es gibt aber auch Unterwäsche mit Windstopper-Einsätzen. Durch die absolute Winddichtigkeit ist das Isolationsverhalten sehr gut.

Powerstretch

Auch Powerstretch gehört zur Großfamilie Fleece. Die Außenseite ist glatt und windabweisender als bei herkömmlichem Fleece. Die Innenseite hingegen ist aufgeraut und bietet bei gutem Wärmerückhalt einen herausragenden Feuchtigkeitstransport. So wird Schweiß förmlich von der Haut weggesogen und zügig nach außen weitergeleitet. Für eine optimale Funktion soll das sehr elas­tische Powerstretch dicht am Körper anliegen und ist daher extrem flexibel und dehnbar gehalten.

Powerstretch eignet sich besonders für sehr aktive Sportarten und dort, wo guter Wärmerückhalt gewünscht, aber nur wenig Platz unter der Oberbekleidung vorhanden ist.

Wolle

Auch wenn es so aussieht, als wäre Funktionsbekleidung zwangsläufig aus Kunstfasern, muss sich die Naturfaser noch lange nicht geschlagen geben. Funktionsbekleidung gab es schon lange bevor das erste Polyesterchen das Fell über die Ohren gezogen bekam. Auch Schafwolle nimmt an sich fast keine Feuchtigkeit auf, bietet sehr gute Isolation und hält auch in nassem Zustand noch warm. Einmal durchweicht, wird sie allerdings sehr schwer.

Wolle eignet sich daher weniger als äußere Schicht, aber sehr gut unter einer schützenden Membran als Isolation und als Unterwäsche. Letztere gibt es etwa von »Woolpower«, sie zählt nach ungeteilter Meinung etlicher Testfahrer mit Abstand zum Wärmsten, was der Markt hergibt. Für bessere Formbeständigkeit auch nach mehreren Wäschen wird die Wolle mit einem Anteil Kunstfasern gemischt.

Kunstfaser

Wenn es besonders kalt wird, leis­tet Bekleidung mit Kunstfaserfüllungen gute Dienste. Die Fasern, selbst oft Hohlfasern mit Lufteinschlüssen, sorgen durch ihre Bauschkraft, den so genannten »Loft«, für Luftpolster. Kunstfaserfüllungen finden sich oft bei Innenfuttern in Schutzbekleidung. Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Kunstfasern, die sich in der Qualität vor allem in zweierlei Hinsicht unterscheiden. Meist werden Hohl- und Spiralfasern gemischt.

Die Hohlfaser verfügt über eine oder mehrere Luftkammern, die Spiralfasern sorgen für Bauschkraft. Je höher der Anteil hochwertiger Hohlfasern, desto besser ist die Wärmeleistung auch an Stellen, wo das Material komprimiert wird. Damit die an sich rauen Kunstfasern aneinander vorbeigleiten und sich aufbauschen können, müssen sie beschichtet werden. Die Beschichtung nutzt sich aber je nach Qualität beim Tragen und vor allem beim Waschen ab. Die Füllung verklumpt und wird weitgehend nutzlos. Die Stärke der Füllung wird nach Gewicht angegeben.

Daune

Daunen sorgen nicht nur in Bettdecken und Schlafsä­cken für hervorragende Isolation. Auch in Jacken und Hosen für besonders frostige Einsätze  werden sie angeboten. Die Bekleidung ist im wahrs­ten Wortsinn oft federleicht und wärmt hervorragend. Daunen werden immer mit Kleinfedern gemischt, was die Bauschfähigkeit der Füllung erhöht. Für die Isolierfähigkeit spielen aber hauptsächlich die Daunen eine Rolle. Ein Mischverhältnis von 90/10 bedeutet einen sehr guten Daunenanteil von 90 Prozent. Daunengefüllte Bekleidung lässt sich  stark komprimieren und verfügt im Verhältnis zur Füllmenge über eine gute Wärmeleistung.

Bei gleicher Wärmeleistung ist Daunenbekleidung immer leichter als kunstfasergefüllte. Daunen verlieren aber deutlich an Wärmeleistung, wenn sie feucht werden, und sind aufwendiger zu pflegen. Die Qualität der Daunenfüllung hängt außer vom Mischverhältnis auch vom Tier ab. Nordamerikanische Gänsedaunen haben etwa einen höheren Isolationswert als europäische Entendaunen. Die Stärke der Füllung wird durch ihr Gewicht angegeben. Natürlich braucht die Daune  unter der Schutzbekleidung etwas Platz zur Entfaltung.

Heizbekleidung

Wer auch bei niedrigen Temperaturen lange Strecken zurücklegen will, wird zwangsläufig irgendwann einen Punkt erreichen, wo dem Körper aktiv Wärme zugeführt werden muss. Gut gewärmt auf dem Motorrad zu sitzen beugt nicht nur Erkältungen und Gelenkerkrankungen vor, sondern erhält gerade auf längeren Strecken das Reaktionsvermögen und die Konzentration. Wer schon mal versucht hat, mit steif gefrorenen Fingern eine Vollbremsung zu machen, weiß, wovon die Rede ist. Ob Jacken, Hosen, Handschuhe oder Nierengurte, es gibt nichts, was nicht auch in beheizbarer Form erhältlich wäre.

Oft lassen sich die Kleidungsstücke untereinander verbinden, so dass nur ein Kabel zum Anschluss an die Bordelektrik nötig wird.
Wer sich für beheizbare Kleidung entscheidet, sollte unbedingt darauf achten, dass die gesamte Leistungsaufnahme nicht die Kapazität der Lichtmaschine übersteigt. Ansons­ten dürfte dem Winterfahrer eher vom Schieben der Maschine warm werden.

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