Gebrauchtmotorrad Tipps

Der Markt für Gebrauchtmotorräder in Deutschland boomt. Online-Portale quellen über von verlockenden Angeboten, und auch bei Händlern stehen viele attraktive Gebrauchte. Dieser Ratgeber liefert die entscheidenden Tipps, wie man bei der Suche nach einem guten Gebrauchtmotorrad erfolgreich ist.

»Gebraucht« heißt längst nicht »alt« – ganz im Gegenteil. Die Laufleistungen vieler Gebrauchtmaschinen sind oft genug geradezu lächerlich gering und die fetten Zulassungsjahre der jüngeren Vergangenheit haben den Gesamtbestand an guten Gebrauchtmotorrädern kräftig aufgefüllt. Es wartet also eine reiche Auswahl auf Interessierte, für jeden Geldbeutel und für jeden Geschmack.

Kauf im Netz  

Online-Börsen haben den Vorteil, dass man schnell und tagesaktuell Zugriff auf ein sehr großes Fahrzeugangebot hat. Deshalb können Gebrauchtkäufer ihr gewünschtes Modell oft sogar in favorisierter Farbe und Ausstattungsvariante herausfischen. Ein Privileg, das früher nur beim Kauf einer Neuen geboten wurde. Das Wunschmotorrad aus zweiter Hand, also weit unter dem damals aufgerufenen Neupreis, klingt verlockend.

Allerdings birgt der Kauf eines Gebrauchtmotorrades über das anonyme Internet auch Gefahren, und das Traummotorrad kann schnell zum Albtraum werden. Gegenüber der Neuware mit umfassender Garantie und Gewährleistung trägt der Gebrauchtkäufer ein deutlich höheres Risiko bei der Kaufabwicklung und wenn etwas kaputt geht. Deshalb sind bei der Suche im Netz Sorgfalt und Ruhe geboten.

Keinesfalls kann man anhand von Bildern auf den tatsächlichen Fahrzeugzustand schließen, auch wenn die Fahrzeugbeschreibung vielversprechend klingt – Klarheit schafft erst die Prüfung der Angaben bei der Besichtigung vor Ort, inklusive der Probefahrt.

Vor einem Besichtigungstermin sollten keinesfalls schriftliche Zusagen gemacht werden. Mit Formulierungen wie »ich kaufe Ihr Fahrzeug« geben Sie bereits ein Angebot auf Vertragsabschluss ab, das der Verkäufer nur noch annehmen muss. Leisten Sie auch keine Anzahlungen, um das Motorrad bis zum vereinbarten Ortstermin zu reservieren. Wenn eine längere Anreise nötig ist, halten Sie vorab telefonisch Rücksprache mit dem Verkäufer, in der Hoffnung, dass dieser zu seinem Wort steht.

Letztlich ist solch ein Kauf Vertrauenssache, bei geringsten Zweifeln bezüglich Verkäufer oder angebotener Ware sollte man vom Kauf Abstand nehmen. Dies fällt nach einer weiten Anreise und bei einem günstigen Angebot besonders schwer, ist aber allemal besser als ein großes Ärgernis im Nachhinein.   

Kauf von Privat

Im Vergleich zum Kauf aus gewerblicher Hand mit gesetzlich verankerten Gewährleistungsansprüchen ist beim Privatverkauf doppelte Vorsicht geboten. Hier gilt in der Regel das Motto: »Gekauft wie gesehen«. Der Käufer trägt somit das volle Risiko, falls es nach Vertragsabschluss zu Problemen kommt. Wenn dem Privatverkäufer nicht Betrug oder arglistige Täuschung nachgewiesen werden kann, hat man keinerlei Chance auf eine Schadensregulierung oder Rücknahme des Fahrzeugs. Deshalb empfiehlt sich der Privatkauf nur für fachkundige Käufer mit entsprechender Erfahrung. Falls Sie sich das nicht selbst zutrauen, ziehen Sie kompetenten Rat aus dem Bekannten- oder Freundeskreis hinzu.

Prinzipiell sollte man Fahrzeugbesichtigungen nie alleine bewältigen. »Vier Augen sehen mehr als zwei« – außerdem kann ein Zeuge in einem späteren Streitfall nützlich sein. Bedenken Sie auch, dass der vermeintliche Verkäufer davon ausgehen kann, dass Sie die Kaufsumme in Bar bei sich führen. Böse Buben schrecken vor einem Überfall im Beisein eines kräftigen Begleiters meist zurück.

Bei der Beurteilung des Motorrades sollten Sie anhand der umfassenden Checkliste, die wir im Netz bereitgestellt haben (s.u.), alle Prüfpunkte sorgfältig abarbeiten. Dabei sollten Sie sich nicht drängeln oder verunsichern lassen. Ein seriöser Verkäufer wird auch dem Wunsch nachkommen, das Motorrad von einem Gutachter oder in einer Werkstatt überprüfen zu lassen. Setzen Sie Ihre Unterschrift erst dann unter den Kaufvertrag, wenn Sie überzeugt sind.   

Kauf beim Händler  

Wer nicht über das nötige Fachwissen verfügt, ist beim Händler besser aufgehoben. Meist sind die angebotenen Gebrauchtmotorräder etwas teurer, dafür kann man sich neben Beratung und Service außerdem über einen gesetzlichen Gewährleistungsanspruch freuen. Zudem haben Händler einen Ruf zu verlieren und zeigen sich bei der Mängelbeseitigung in der Regel kooperativ.

Sicherheitshalber verpflichtet der Gesetzgeber gewerbliche Verkäufer im Rahmen der Sachmangelhaftung, für auftretende Schäden mindestens ein Jahr lang geradezustehen. Einige Händler bieten gegen geringe Gebühr zusätzlich eine Gebraucht-Garantie an. Trotz der gesetzlichen Absicherung sollte man Händlerangebote jedoch genau prüfen.

In der Praxis ist die Beweisführung im Falle von Defekten nicht immer einfach. Kommt es zum Rechtsstreit, sind Reklamationen oftmals mit hohen Kosten für Gutachten verbunden.

Legen Sie Besichtigungstermine nach Möglichkeit nicht auf das Wochenende oder kurz vor den Ladenschluss, wenn Verkäufer unter Zeitdruck stehen. Ist eine längere Anreise erforderlich, lassen Sie sich vorab bestätigen, dass der Händler das Fahrzeug für Sie reserviert. Auch hier kann bei der Besichtigung ein fachkundiger Begleiter nicht schaden.     

Garantie und Gewährleistung werden als ein und dasselbe angesehen. Rechtlich jedoch handelt es sich um zwei völlig unterschiedliche Ansprüche.

Garantie

Die Garantie ist ein freiwillig gegebenes Versprechen, dass Sachen bestimmte Eigenschaften über einen definierten Zeitraum besitzen. Verliert eine Sache während der Garantiezeit durch einen Defekt ihre zugesicherten Eigenschaften, ist der Garantiegeber zur Beseitigung des Mangels verpflichtet.

Händler und Fahrzeughersteller geben solche Garantien, zum Beispiel gegen Durchrostung, für Dichtigkeit oder Fahrzeuge im Ganzen. In den Garantiebestimmungen ist klar geregelt, welche Leistungen gegenüber dem Garantiegeber geltend gemacht werden können. Auch wer Garantieleistungen in Anspruch nehmen kann und wer den Mangel beheben soll, ist im Vertrag festgelegt.

Gewährleistung

Im Unterschied zur vertraglich vereinbarten Garantie handelt es sich bei der Gewährleistung – auch als Sachmangelhaftung bekannt – um eine gesetzliche Regelung. Hier haftet der Verkäufer für die zu erwartenden Eigenschaften der veräußerten Ware.

Achtung: Die Gewährleistung gilt auch bei Privatverkäufen, wenn diese nicht schriftlich und ausdrücklich im Kaufvertrag ausgeschlossen wird. Gewerbliche Verkäufer können sich nicht von der Sachmangelhaftung befreien. Allerdings können Händler durch schriftlichen Vermerk im Kaufvertrag den Gewährleistungsanspruch von zwei Jahren auf eines verkürzen.

Beginn des Anspruchs ist immer der Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs. Zwischen gewerblichen Handelspartnern liegt die Beweislast für den Mangel beim Käufer. Nur wenn der Käufer eine Privatperson ist, geht der Gesetzgeber innerhalb der ersten sechs Monate von der Vermutung aus, dass der Mangel bereits beim Kauf vorlag.

Beim Privatkauf greift in den ersten sechs Monaten die Beweislastumkehr und bringt den Händler in die Pflicht der Beweisführung. Hat der Kunde Anspruch auf Erfüllung der Gewährleistung, muss der Mangel auf Kosten des Verkäufers beseitigt werden. Repariert der Käufer sein Fahrzeug selbst oder lässt es durch jemand anderen reparieren, kann er die ihm entstandenen Kosten nicht geltend machen.

Die gesetzlichen Gewährleistungsansprüche regeln sowohl die so genannte »Nacherfüllung «, also die Reparatur oder Ersatzlieferung, die Schadenersatzansprüche wie auch eine Minderung des Kaufpreises. Ist der Verkäufer nicht in der Lage, den Mangel zu beheben, kann der Käufer vom Kaufvertrag zurücktreten. Der Händler muss das Fahrzeug zurücknehmen und den Kaufpreis nach Abzug des Wertersatzes für die bisherige Nutzung zurückerstatten.

Wird der Schaden durch Nachbesserung behoben, erneuert sich die Gewährleistung für den behobenen Mangel für zwei Jahre.

Lenkkopf-Anschlag
Ob die Maschine einen Sturz oder Unfall hinter sich hat, zeigt ein Blick auf den Lenkanschlag. Weder das am Lenkkopf verschweißte Teil noch das Gegenstück an der Gabelbrücke dürfen gebrochen oder verformt sein.

Lenkkopflager
Zur Prüfung des Lenkkopflagers muss das Vorderrad entlastet sein. Motorräder mit Hauptständer hinten einfach nach unten drücken oder die Front anheben. Notfalls lässt sich das Motorrad auch über den Seitenständer kippen. Lagerspiel wird durch kräftiges Ziehen und Drücken in Längsrichtung spürbar. Lenkbewegungen muss die Gabel leichtgängig absolvieren, andernfalls ist das Lager zu fest oder weist Rattermarken durch Verschleiß auf.

Radlager
Radlagerspiel zeigt sich durch seitliche Krafteinwirkung am entlasteten Vorder- und Hinterrad. Hierbei darf kein Spiel fühlbar sein. Die Räder sollten leichtgängig und frei drehen. Um die Rückstellung der Bremskolben zu testen, wird die Bremse betätigt, anschließend muss das Rad ebenso widerstandslos drehbar sein.

Kette
Rostige Glieder sagen viel über die Pflege eines Motorrades aus. Wenn verschlissen, lässt sich die Kette durch Ziehen vom Kettenblatt abheben. Zeigt sich am Kettenblatt Sägezahnbildung oder ist der Kettendurchhang in verschiedenen Positionen unterschiedlich, ist ein neuer Kettensatz fällig.

Motor
Ob der Motor Öl oder Kühlflüssigkeit verliert, offenbart ein prüfender Blick aufs Gehäuse. Zylinderkopf, -fuß, aber auch die Unterseite des Motors sollten genau in Augenschein genommen werden. Hierbei bleiben auch Sturzspuren nicht unentdeckt.

Bremsbeläge
Ein Blick entlang der Bremsscheiben zeigt, wie stark die Bremsbeläge verschlissen sind. Eine Taschenlampe leistet dabei gute Dienste.

Ansauggummi
Bei älteren Gebrauchten sind oft die Ansauggummis spröde. Damit der Motor keine Falschluft zieht, müssen poröse Gummis erneuert werden.

Papiere
Ein gewissenhafter Vorbesitzer kann die Historie des Motorrades mit Scheckheft, Rechnungen und TÜV-Berichten belegen. Zubehör sollte eingetragen sein bzw. eine EG-Bescheinigung oder ABE besitzen. Wichtig auch der Abgleich von Rahmennummer (am Lenkkopf) und Angaben in den Zulassungspapieren.

Reifen
Die gesetzliche Mindestprofiltiefe beträgt 1,6 mm. Reifen sollten nicht älter als sechs Jahre sein (siehe DOT-Nummer), die Reifengröße muss zu den Angaben im Kfz-Schein passen, oder es liegt eine Freigabe vor.

Gabel
Vor allem bei älteren Modellen finden sich häufig Ölverluste an der Gabel. Mit dem Finger lässt sich feststellen, ob die Gabel-Simmerringe dicht halten. Der genaue Blick auf die Standrohre entlarvt Schleif- sowie Kratzspuren und Steinschläge. Kräftiges Ein- und Ausfedern gibt Auskunft über das Dämpfungsverhalten.

Bremsscheiben
Bremsscheiben nutzen sich verschleißbedingt ab, ihre Mindestdicke prüft man mit einer Bügel-Messschraube. Zur groben Bestandsaufnahme lässt sich der Verschleiß auch mit dem Finger erfühlen. Riefen kommt man per Nagelprobe auf die Spur. Tank:
Rostfraß im Spritfass aus Metall kommt man mit prüfendem Blick ins Innere auf die Spur. Dabei erweist sich eine Taschenlampe als hilfreich.

Batterie
Der Zustand der Batteriepole und ggf. der Flüssigkeitsstand lässt ebenso auf den Pflegezustand schließen wie die Sauberkeit unter der Sitzbank im Allgemeinen. Pfusch am Kabelbaum sowie Rostbefall an Rahmenteilen fallen bei genauem Hinsehen ebenfalls ins Auge.

Beleuchtung
Ein Funktionstest der Beleuchtungs- und Signalanlage ist obligatorisch. Dabei die Funktion der beiden Bremslichtschalter sowie Cockpitbeleuchtung nicht vergessen.

Vertrauen ist – auch und gerade unter Bikern. Doch wenn's ums Geld geht, hört die Freundschaft bekanntlich auf. Deshalb sollte man beim Bebrauchtmotorradkauf einen rechtssicheren Vertrag abschließen. Eine Vorlage zum Ausdrucken gibt es HIER

Die zunehmende Zahl der Wenigfahrer, die Werkstätten und Reifenhändlern wenig Freude macht, hat auch ihr Gutes. Noch nie war das Angebot kaum gelaufener, prima erhaltener Motorräder größer als heute. Die Auswahl beschränkt sich längst nicht mehr auf traditionelle Schönwetter-Bikes aus der Cruiser-Fraktion, sondern deckt von der Enduro über Naked-Bikes und Sportler bis zur Reise-Enduro und zum Luxustourer sämtliche Fahrzeuggattungen ab.

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