1972 – 2012

Rückblick 40 Jahre Kawasaki Z-Modelle

Das Jahr 1972 steht für einen Meilenstein in der Firmengeschichte von Kawasaki. Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit präsentiert der Motorradbauer die 900Z1 Super Four. Mit diesem Fahrzeug leitet Kawasaki die große Viertaktoffensive in den Siebzigern ein und erschafft den Urahn für die bis heute erfolgreichen Z-Modelle.

Ende der Sechzigerjahre zeichnet sich bereits eine Trendwende im Motorradgeschäft ab: Zweitakter sind allmählich out, Viertakter bestimmen mehr und mehr die Portfolios der Hersteller. Vor allem die europäischen Marken haben längst bei den Viertaktern ihr Heil gesucht. Grund sind die immer restriktiveren Abgasbestimmungen, die bei einem Zweitaktmotor größere Kompromisse erfordern. Viertakter hingegen schaffen locker die erforderlichen Normwerte. Vor allem im potenziell stärksten Markt der Welt, den USA, ist dies ein wichtiges Argument. Europäische Hersteller verkaufen auf der anderen Seite des Atlantiks seit vielen Jahren sehr erfolgreich. Technisch gesehen muss man sich hier lediglich mit den V2-Triebwerken der Amerikaner messen, da reichen die Parallelzweizylinder aus England, italienische V2s und deutsche Boxermotoren locker aus. Die für die Szene so wichtige Vision entsteht aber gerade am anderen Ende der Welt, in Japan.

  Galerie: Die Z-Modelle von Kawasaki 1972–2012

Der lange Weg zum Vierzylinder

Ingenieur Gyoichi Ben Inamura hat für Kawasaki Heavy Industries (KHI) gerade eben den ersten großen Viertakter, die W1 mit 650 Kubikzentimetern Hubraum, entwickelt. Basis war die K2 von Hersteller Meguro, den sich Kawasaki 1961 einverleibte. Der Parallelzweizylinder der W1 mit 50 PS Leistung ist in Japan erfolgreich, wird in Europa und den USA aber als BSA-Kopie verschmäht. Völlig zu Unrecht, wie man heute weiß. Da ist es nur gut, dass man eine zweite Produktlinie mit schnellen Zweitaktern aufbieten kann, die aus der Produktlinie der ehemaligen Firma Meihatsu hervorgehen – einem weiteren Hersteller, den Kawasaki in weiser Voraussicht aufgekauft hat. Die drehschiebergesteuerten 250A1 Samurai und die 350A7 Avenger können 1966 und 1967 auch hubraumstärkeren Bikes noch voll Paroli bieten. Dennoch plant Kawasaki für die Zukunft, zweigleisig zu fahren. Zum Einen mit schnellen Dreizylinder-Zweitaktern vom Schlage 500H1 Mach III (60 PS), die 1968 vorgestellt wird, zum Anderen mit großen Viertaktern. Ben Inamura wird 1967 nach langen Debatten in Akashi mit der Aufgabe betraut, einen großen Viertakter mit vier Zylindern zu entwickeln. Viele Leute in den wichtigen Führungspositionen halten das Ingenieursgenie und seine Idee nach wie vor für reichlich durchgeknallt. Doch bereits ein Jahr später läuft der luftgekühlte Vierzylinder erstmals erfolgreich auf dem Prüfstand. 749 Kubikzentimeter Hubraum, zwei oben liegende Nockenwellen (dohc) und Tassenstößel machen ihn drehzahlfest, 70 bis 75 PS sind locker drin. Dauerdrehzahlen von 9000/min kann er mühelos verkraften. Fast wie ein echter Rennmotor! Allen Unkenrufen im eigenen Hause zum Trotz hat Inamura seinen Traum Wirklichkeit werden lassen. Das Projekt N600 kann beginnen.

Der CB-750-Schock

Ingenieure und Designer gehen mit viel Enthusiasmus ans Werk, schließlich muss man ja noch das ganze Motorrad rund um den Motor entwickeln. Doch dann kommt der Mega-Knall. Auf der Tokio Motor Show im Herbst 1968 lüftet Mitstreiter Honda das Tuch von der CB 750 Four. Reihenvierer, ohc-Ventiltrieb, 67 PS, 200 km/h Spitze, 4-in-4-Auspuffanlage und Scheibenbremse vorn. Ein Schock für die Kawa-Leute. Es hatte zuvor keinerlei Anzeichen für einen solchen Vorstoß gegeben. Die 750er-Four ist dem potenziellen Konkurrenten aus Akashi bis auf wenige Ausnahmen viel zu ähnlich, um ihn zur Serienreife zu bringen. Kawasakis Mannen ziehen sich zurück und lecken ihre Wunden, das Projekt N600 wird auf Eis gelegt – vorerst. Doch bereits im Juli 1969 rückt man wieder eng zusammen und beginnt die Arbeit am großen Reihenvierzylinder neu. Im August muss sich ein Prototyp im direkten Duell mit der CB 750 Four beweisen und zeigt hier klare Vorteile. Die spätere Entscheidung, den Hubraum auf 903 Kubikzentimeter zu erhöhen, basiert auf jüngsten Marktforschungsergebnissen aus den USA, die in diese Richtung weisen. Dennoch ist das nach Ansicht der Verantwortlichen bei Kawasaki nicht genug. Die neue Maschine mit dem Produktcode T103 muss sich in fast allen Punkten von der CB 750 Four unterscheiden. Man will ein ganz eigenes Motorrad, um nicht den geringsten Verdacht einer Kopie aufkommen zu lassen. Die neue Kawasaki soll das stärkste und schnellste Big-Bike in Großserienfertigung werden, garniert mit den besten technischen Zutaten, den schönsten Details und dem aufregendsten Design.

Input aus den USA

Erstmals will KHI ganz eng mit den amerikanischen Kollegen von Kawasaki Motors Corporation (KMC) aus Kalifornien zusammenarbeiten. Denn die Kollegen aus den USA besitzen großes strategisches Wissen und beliefern den stärksten Motorradmarkt der Welt, der auch für das vorerst T103 getaufte Bike das größte Potenzial bietet. Intensive Fahrtests und ausgedehnte Produkt-Meetings führen die Maschine schließlich ins Stadium mit dem Code 9057. Die Vorbereitungen mit Überlegungen zu Kostenplanung, Zulieferern und Produktionstechnik gehen in die entscheidende Phase. Anfang 1972 werden noch mal Tests in den USA gefahren. Zwei Teams legen je 6000 Meilen auf öffentlichen Straßen von Atlanta/Georgia nach Santa Ana/Kalifornien zurück, eines davon auch auf dem Talladega Speedway in Alabama. Die Motorräder – zum Teil mit Honda-Emblemen am Tank getarnt – bestehen diese Distanz ohne jegliche Schäden. Dennoch nehmen sich der britische Rennfahrer Paul Smart und der japanische Testfahrer Kiyohara die 9057 anschließend noch einmal in Talladega zur Brust. Disziplinen: Dauer- und Höchstgeschwindigkeitsprüfungen. Dann noch mal Tests in Japan. Am Ende steht fest: Die Z1 ist die Schnellste und Standfesteste. Kein Wunder, dass sich dieser Motor in den nächsten zehn Jahren auf allen Rennstrecken der Welt als Siegertyp bewährt!

Weltpremiere der Z1 in Köln

Fünf Jahre Entwicklungszeit sind vergangen und rund 800.000 US-Dollar investiert worden. Jetzt will das Ganze professionell und rentabel verkauft werden. In den USA wird ein komplett neues Vertriebsnetz aufgezogen, das Werbebudget übersteigt alles bislang Dagewesene. Kaufmänner und Marketing-Fachleute tüfteln die passende Strategie aus. Alan Masek, General Manager bei KMC in den USA, und Osamu Sam Tanegashima, Vertriebs- und Verkaufsspezialist, bringen die vier größten amerikanischen Magazine nach Kobe und zeigen ihnen das neue Superbike. Und am darauf folgenden Tag wird Probe gefahren. Ergebnis: Die US-Boys sind begeistert. Danach kehren sie in ihre Redaktionsräume zurück und schreiben Top-Storys über die neue 900Z1 Super Four. Rapide steigende Auflagenzahlen deuten an, was da für eine Lawine losgetreten ist. Und das nicht nur in den USA, sondern weltweit. Das Sahnehäubchen auf der Geburtstagstorte holt sich aber der deutsche Kawasaki-Importeur Detlev Louis, der die Z1 zur IFMA 1972 in Köln weltexklusiv und erstmals live der Öffentlichkeit präsentieren darf.

Der Viertaktzug kommt ins Rollen

Der Stand ist an keinem der Besuchertage frei begehbar, alles schart und drängelt sich um den neuen Superstar der Motorradszene. Importeur Detlev Louis kann schon im ersten Verkaufsjahr (1973) rund 2500 Einheiten absetzen, zu einem Preis von 7200 DM. Die Käufer können froh sein, überhaupt eine Maschine bekommen zu haben, denn die Nachfrage übersteigt das Angebot. Die Nachfolgemodelle Z1A (1974) mit silbernem Motor und Z1B (1975) mit erstmalig verwendeter, langlebiger O-Ring-Kette toppen das Ganze noch mal mit rund 1000 Stück mehr – trotz des um 1300 DM gestiegenen Kaufpreises. Kawasaki hat alles richtig gemacht, auch in den USA sind die Leute wie besessen von diesem Bike. In Deutschland wächst der Marktanteil Kawasakis von weniger als zehn Prozent in 1972 auf rund 17 Prozent im Jahr 1975. Der Viertaktzug ist mächtig ins Rollen gekommen.

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