Buchautor Thomas Reinwald hat in drei Jahrzehnten Recherche alles zusammengetragen, was aus 121 spannenden Jahren Nürnberger Motorradgeschichte überliefert ist. Archive und viele Zeitzeugen lieferten ihm Stoff über 58 aufgelistete Hersteller vom Industriebetrieb bis zur Hinterhofmanufaktur mit einstelliger Belegschaft. Dazu kamen Zulieferbetriebe von (heute noch existierenden) Vergaserhersteller bis zu Produzenten von Zubehör, Schutzbekleidung, Seitenwagen und anderen Komponenten.
Das Ergebnis sind viele spannende Geschichten: von ehrlichen Handwerkern, windigen Geschäftemachern, Traumtänzern, technischen Genies und knallharten Businesstypen.
„Nürnberger Motorradgeschichte“ ist ein über 250 Seiten starkes Buch im DIN A 4-Format mit 676 Fotos und Skizzen. Der Autor präsentiert dabei auch bisher unveröffentlichte Bilddokumente von Prototypen und Vorserienfahrzeugen, die nie vom Band liefen. Dazu viele Bilder aus der Fertigung, von Werbeaktionen und mit den Sporthelden aus der einstigen Hochburg des Motorrad-Geländesports.
In Nürnberg und den umliegenden Städten existierte von 1884 bis 2005 eine deutschlandweit einmalige Motorradindustrie, die zwei Höhepunkte und anschließende Zusammenbrüche erlebte. Der erste geschah um das Jahr 1925 durch die Weltwirtschaftskrise, die hauptsächlich die kleinen Manufakturen traf. Die frühen Wirtschaftswunderjahre nach dem zweiten Weltkrieg bescherten die nächste Blütezeit, in der tausende Arbeiter und Angestellte im Motorrad- und Motorrollerbau beschäftigt waren. Danach begann Mitte der 50er Jahre die Pkw-Motorisierung. Das Motorrad als Personentransportmittel hatte dagegen ausgedient und war als Freizeitgerät noch nicht angesagt.
Die einst marktbeherrschenden Firmen Ardie, Mars, und Triumph gaben deshalb den Motorradbau auf. DKW, Victoria und Express aus Neumarkt schlossen sich zur Zweirad-Union zusammen. Nach deren Übernahme durch Fichtel & Sachs und der Fusion mit Hercules blieb das Werk in der Nopitschstraße als letzter Nürnberger Hersteller übrig. Dies sind nur ein paar kurze Geschichten dieses lesenswerten Buches.
Franz Schroll