China fördert den Verbrennungsmotor

Paradigmenwechsel beim Klimaschutz

China fördert den Verbrennungsmotor

Um die im Zuge der Pandemie eingebrochene Pkw-Nachfrage zu stimulieren, hat die chinesische Regierung die Steuern auf Fahrzeuge mit kleinen und mittleren Verbrennungsmotoren gesenkt. Damit beschreitet Peking einen grundsätzlich anderen Weg als die EU – ohne dabei die Klimaziele aus den Augen zu verlieren.

Lange präsentierte sich China als Vorreiter in Sachen Elektromobilität. Und das nicht zu Unrecht, denn immerhin rund 44 Prozent (Stand 1/2022) aller weltweit zugelassenen Elektrofahrzeuge rollen auf den Straßen des ostasiatischen Landes. Eine großzügige Subventionspolitik der Zentralregierung förderte den Boom in den vergangenen Jahren nach Kräften.

Doch mittlerweile hat offenbar ein Umdenken bei den Machthabern in Peking stattgefunden. Erst Anfang Juli wurde der Steuersatz auf Pkw mit Hubräumen unter 2000 Kubikzentimetern, also genau bei den Fahrzeugen für die aufstrebende Mittelschicht in der sich rasant wandelnden Gesellschaft, von 10 auf fünf Prozent halbiert. Die Förderung von Elektrofahrzeugen wird hingen seit geraumer Zeit sukzessive zurückgefahren und soll bis Ende 2022 komplett auslaufen.

Peking setzt auf Pragmatismus

Mit dieser Maßnahme reagiert Peking einerseits auf die im Zuge der Corona-Pandemie eingebrochene Nachfrage und möchte das zuletzt lahmende Wirtschaftswachstum stimulieren. Andererseits ist der neu geschaffene Anreiz auch vor dem Hintergrund eines Paradigmenwechsels im Spannungsfeld zwischen Wirtschafts- und Umweltpolitik zu sehen.

Dieser bedeutet jedoch bedeutet nicht, dass sich China von der Elektromobilität verabschiedet. Vielmehr setzt die Führung in Peking auf Pragmatismus. Das auf den Automotive-Bereich spezialisierte Beratungsunternehmen Berylls hat errechnet, dass in China auch nach 2030 noch 71 Prozent der Autos mit einem Verbrennungsmotor als Hauptantriebseinheit unterwegs sein und damit das Rückgrat der chinesischen Mobilität bilden werden. Nur ein knappes Drittel des Fahrzeugbestands wird zu diesem Zeitpunkt von batterieelektrisch angetriebenen Fahrzeugen oder Hybriden besetzt. Günstigere Preise und der Wunsch nach individueller Mobilität immer breiterer Gesellschaftsschichten sind die Gründe für die prognostizierte anhaltend hohe Nachfrage.

Realistische Berechnung der CO2-Emissionen von BEVs

Mehr Realitätssinn als die Europäer beweisen die Chinesen auch bei der Berechnung der CO2-Emissionen. Das EU-Modell, nach dem für batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge (BEVs) pauschal eine Emission von Null Gramm Kohlendioxid angesetzt wird, soll durch ein Berechnungsverfahren ersetzt werden, das die tatsächliche Freisetzung des klimaschädlichen Gases durch den Betrieb des BEVs abbildet. In einem Land wie China, dessen Stromerzeugung hauptsächlich auf fossilen Energieträgern basiert, sicher ein sinnvoller Ansatz.

Einige Analysten gehen daher davon aus, dass China auf seinem Weg zur Klimaneutralität künftig weniger bei der individuellen Mobilität ansetzen, sondern die Einsparungen in anderen Bereichen erzielen will. Immerhin hält China an dem Ziel fest, bis 2060 keine CO2-Emissionen mehr zu erzeugen, die nicht durch andere Maßnahmen kompensiert werden. »Wir glauben, dass sich der Fokus der CO2-Reduktion auf andere Verkehrsträger, die Industrie, die Stromerzeugung, das Bauwesen, den digitalen Sektor und die Landwirtschaft verlagert«, meint Jochen Siebert, Geschäftsführer von JSC Automotive aus Shanghai, einer auf den chinesischen Automobilmarkt spezialisierten Unternehmensberatung.

Entwicklung neuer Generationen von Verbrennungsmotoren

Zu dieser Strategie passt auch, dass China Forschung und Entwicklung im Bereich der Verbrennungsmotoren seit einiger Zeit massiv ausbaut. Für die Wirtschaft im Reich der Mitte ist das vom EU-Parlament beschlossene Aus für den Verbrenner in Europa ab 2035 ein zusätzlicher Anreiz, die Führung in dieser Spitzentechnologie zu übernehmen.

Trotz aller dem Zeitgeist geschuldeten Bekenntnisse zur Elektromobilität erkennen auch die europäischen Hersteller diese Realitäten an. So wollen beispielsweise Audi oder Daimler auch nach 2035 noch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor in China anbieten. Mercedes will die Technologie beim Partnerunternehmen Geely ansiedeln. Allerdings verlagern sich Know-how und Wertschöpfung auch auf diese Weise von Europa nach China.

Foto: Audi Mediacenter, Collage: TF

Suche im News-Archiv

TOURENFAHRER-Newsletter

Mehr frische Infos und Angebote finden Sie im TOURENFAHRER-Newsletter.

Jetzt registrieren