Der Helm dürfte unbestritten der wichtigste Teil jeder Motorradschutzausrüstung sein. Dieser Bedeutung entsprechend kümmert sich die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UN ECE) um ein einheitliches Regelwerk, das die Anforderungen an Motorradhelme festlegt: Die jedem Motorradfahrer bekannte ECE-Norm.
Die aktuelle gültige fünfte Revision dieser Norm, die ECE 22.05, ist mittlerweile bald 20 Jahre alt, und wurde in einigen Punkten überarbeitet.
Zusätzliche Tests
Was die unmittelbare Schutzwirkung betrifft, werden mit der ECE 22.06 zwei neue Testmethoden eingeführt. Bei der Hochgeschwindigkeits-Partikelprüfung für Visiere wird ermittelt, ob das Visier dem Aufprall schneller Teile standhält, beispielsweise aufgewirbelten Steinen. Hierzu wird das Visier mit einer 60 Meter in der Sekunde schnell fliegenden Stahlkugel beschossen. Weder darf das Visier brechen oder sich verformen, noch darf sich der Haltemechanismus des Visiers durch den Einschlag zerlegen.
Der zweite neue Test betrifft die Schutzwirkung bei rotierendem Aufprall. In einem Versuchsaufbau, in dem der Helm aus definierten Winkeln und mit einer bestimmten Geschwindigkeit auf einen starr montierten Amboss fällt, wird die Drehbeschleunigung, die potenziell zu Schädigungen des Gehirns führen kann, gemessen.
Neue Regelungen im Detail
Modularhelme und Jethelme werden nach der Norm ECE 22.06 künftig mit und ohne montierten Kinnschutz bzw. mit offenem und geschlossenem Kinnteil geprüft werden.
Bei Helmen, die mit einer integrierten Sonnenblende ausgeliefert werden, findet nach der neuen Norm eine aufwendigere Prüfung statt. Zunächst muss sichergestellt sein, dass die Sonnenblende unabhängig vom Visier bewegt werden kann, sie darf die Betätigung des Visiers auch nicht beeinträchtigen. Zudem müssen Helme mit Sonnenblende nun ihr Testprozedere mit heruntergeklappter Blende absolvieren, um negative Auswirkungen des Bauteils auf die Gesundheit des Fahrers bei einem Crash auszuschließen.
Nationale Anforderungen können künftig Teil der Zulassung sein. So müssen beispielsweise Helme, die in Frankreich auf den Markt gebracht werden, mit den vorgeschriebenen Reflexaufklebern versehen sein, zumindest aber müssen die entsprechenden Folien samt Anbauanleitung dem Helm beiliegen.
Hohe Anforderungen an Zubehör
Bei Helmen, die mit Originalzubehör in den Handel gebracht werden, muss gemäß ECE 22.06 sichergestellt sein, dass dieses Zubehör die Schutzwirkung nicht beeinträchtigt. Dementsprechend werden zusätzliche Tests mit montiertem Zubehör durchgeführt. Besonderes Augenmerk gilt dabei Auswirkungen auf die Energieabsorption, möglichen scharfen Kanten sowie Einschränkungen des Sichtfeldes. Zulässig ist der Helm dann nur mit dem getesteten Zubehör, möchte der Hersteller zusätzliche Komponenten anbieten, ist eine erneute Prüfung erforderlich. Welche Regeln künftig für Fremdzubehör gelten, war bis dato nicht zu erfahren.
Übergangsfrist bis 2023
Nach aktuellem Stand soll die neue Norm ECE 22.06 im Juni dieses Jahres verabschiedet werden. Die Hersteller haben dann drei Jahre lang Zeit, ihre Helme an die neuen Anforderungen anzupassen. Bis dahin bleiben alle nach der Norm ECE 22.05 geprüften Helme legal und dürfen verkauft werden.