Motorrad-Zubehör-Hersteller Touratech AG: Insolvenzverfahren eröffnet

Update 3. November

Positive Zeichen für Touratech

Während am 1. November das Insolvenzverfahren über Touratech eröffnet wurde, gibt es Grund zur Hoffnung für den angeschlagenen Zubehörhersteller. Nicht nur, dass bereits potenzielle Investoren Interesse angemeldet haben, auch die Nachfrage im OEM- und Endkundenbereich ist groß.

Wie geplant wurde am 1. November das Insolvenzverfahren vom Amtsgericht Villingen-Schwenningen über Touratech eröffnet. Der Geschäftsbetrieb und die Fertigung laufen wie schon während des vorläufigen Insolvenzverfahrens, das mit der Stellung des Insolvenzantrags am 10. August eingeleitet wurde, weiter. Für die Kunden bedeutet das, dass sämtliche Bestellungen bearbeitet und ausgeliefert werden.Wie der Insolvenzverwalter Dr. Dirk Pehl mitteilte, haben bereits mehr als ein Dutzend Interessenten unverbindliche Angebote für die Übernahme des Unternehmens abgegeben. Darunter seien Finanzinvestoren ebenso wie auch so genannte »strategische Investoren«, also Unternehmen mit einem mehr oder minder starken Branchenbezug.Die Hoffnung der Beschäftigten, dass es am Standort Niedereschach weitergeht, hat damit eine weitere Grundlage bekommen. Zudem hat ein Großkunde einen Auftrag mit einem Volumen von mehreren Millionen Euro für die nächsten drei Jahre platziert. Auch die Nachfrage nach Produkten, die unter dem eigenen Label Touratech vertrieben werden, ist unverändert hoch. So mussten noch während des vorläufigen Insolvenzverfahrens neue Mitarbeiter in der Fertigung eingestellt werden. Stellenstreichungen stehen dementsprechend aktuell nicht zur Debatte, in den nächsten Tagen soll erstmals ein Betriebsrat gewählt werden.Bereits jetzt werden die Weichen für die kommende Saison gestellt: Touratech präsentiert sich auf der Messe Eicma in Mailand, mit Hochdruck wird am Katalog 2018 gearbeitet und die nächste Ausgabe des Kundenmagazins »Travel Time« wird Mitte November im gewohnten Umfang erscheinen.

Update 22. August 2017

Interview mit dem Insolvenzverwalter Dr. Dirk Pehl

Die Touratech-Insolvenz hat in der Branche hohe Wellen geschlagen. Nicht nur Endverbraucher, auch Kunden in der Motorradindustrie, die ihr Zubehör bei dem Vorzeigeunternehmen fertigen lassen, sind betroffen. Und nicht zuletzt geht es um die berufliche Zukunft von rund 400 Mitarbeitern. Der TF hat mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter Dr. Dirk Pehl über den aktuellen Stand der Dinge gesprochen.

Herr Dr. Pehl, Sie wurden zum vorläufigen Insolvenzverwalter für die Touratech AG bestimmt. Könnten Sie unseren Lesern ganz kurz erläutern, worin Ihre Aufgaben bestehen.
Dr. Pehl: Grundsätzlich ist es meine Aufgabe als vorläufiger Insolvenzverwalter zunächst den Geschäftsbetrieb zu stabilisieren und die Vermögenswerte zu sichern. In der Phase der vorläufigen Insolvenz verschaffe ich mir einen Überblick über die Unternehmenssituation und prüfe, welche Möglichkeiten zur Rettung des Unternehmens bestehen. Zum Beispiel haben wir jetzt schon aktiv mit einem M&A-Prozess begonnen. Alle kostenauslösenden Maßnahmen gehen über meinen Tisch, wie beispielsweise der Einkauf. Außerdem gehört die Kommunikation mit den Geschäftspartnern, also vor allem Kunden und Lieferanten von Touratech, zu meinen Aufgaben sowie natürlich mit den Mitarbeitern.Wie arbeiten Sie mit dem bisherigen Management zusammen?
Dr. Pehl: Unsere Zusammenarbeit ist sehr vertrauensvoll und zukunftsorientiert. Alle Entscheidungen werden gemeinsam abgestimmt und getroffen.Wie ist die Stimmung unter den Mitarbeitern?
Dr. Pehl: Nach rund einer Woche haben die Mitarbeiter den ersten Schock über die Insolvenz verdaut. Sie sind jetzt in einer »Jetzt-erst-recht-Stimmung« und sind motiviert, die Rettung von Touratech zu unterstützen. Touratech bezieht nicht nur Produkte von anderen Unternehmen, sondern beliefert auch zahlreiche Fahrzeughersteller mit OEM-Teilen. Wie haben Lieferanten und Großkunden aus der Industrie reagiert?
Dr. Pehl: Die OEM-Kunden haben sehr professionell reagiert. Wir stehen mit ihnen in engem Kontakt und arbeiten gemeinsam an der Fortführung und an Zukunftslösungen. Bei den Lieferanten gilt es, das Vertrauen wiederzugewinnen. Gerade bei den Schlüssellieferanten erreichen wir das, indem wir mit jedem Einzelgespräche führen und über die Abläufe im Insolvenzverfahren informieren.Der Insolvenz ging ein Liquiditätsengpass voran. Wie halten Sie den Geschäftsbetrieb am Laufen?
Dr. Pehl: Jede Ausgabe wird auf den Prüfstand gestellt und erst dann von mir freigegeben. Wir sprechen sowohl mit Lieferanten als auch mit Kunden über Zahlungsziele.Was bedeutet die Insolvenz für die Kunden; zum Beispiel, wenn ich mir jetzt ein hochpreisiges Koffersystem bestelle?
Dr. Pehl: Die Produktion läuft, die Ware ist vorhanden. Es geht alles normal weiter, das heißt, was bestellt wird, wird auch geliefert. Es ändert sich nichts.Wie sieht es mit Garantieleistungen für bereits erworbene Produkte aus?
Dr. Pehl: Das muss im Einzelfall entschieden werden.Wie lange dauert es nach Ihrer Erfahrung, bis sich eine Tendenz herausstellt, wie es mit einem insolventen Unternehmen dieser Größenordnung weitergeht?
Dr. Pehl: Das kommt auf den Einzelfall an. Am 1.11. wird das Insolvenzverfahren eröffnet. Wir setzen alles daran, bis zur Eröffnung eine Lösung für Touratech zu präsentieren. Für die Lösungsfindung nutzen wir diese Phase der vorläufigen Insolvenz. Wichtig dabei ist, dass in dieser Zeit der Geschäftsbetrieb unverändert fortgeführt wird.Was wäre nach jetzigem Stand Ihre präferierte Lösung für die Zukunft von Touratech?
Dr. Pehl: Mein Ziel ist der Erhalt des Standorts, des Unternehmens und der Arbeitsplätze.


Ursprüngliche Meldung vom 11. August 2017

Die Touratech AG, Spezialist für Motorrad-Zubehör, hat am 10. August beim Amtsgericht Villingen-Schwenningen einen Insolvenzantrag gestellt. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. Dirk Pehl von Schultze & Braun bestellt. Der Geschäftsbetrieb wird unverändert fortgeführt.Die rund 400 Mitarbeiter des Unternehmens wurden vom vorläufigen Insolvenzverwalter sowie vom Vorstand im Rahmen einer Betriebsversammlung über die Insolvenz und den aktuellen Status informiert. Die Löhne und Gehälter sind bezahlt.

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Branche im Schock
Auch wenn im Laufe des vergangenen Jahres immer wieder von Lieferschwierigkeiten bei Touratech zu hören war, kam die Meldung von der Insolvenz für alle doch völlig überraschend. Mit der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit von Touratech ist ein Schwergewicht der Motorradzubehörbranche in schweres Fahrwasser geraten.
Nicht nur, dass das Unternehmen die internationale Motorradreiseszene seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit Material beliefert und immer wieder bahnbrechende Innovationen im Zubehörbereich hervorgebracht hat, Touratech hat den derzeit boomenden Adventure-Bike-Markt Markt zu einem Gutteil auch selbst mitgeschaffen.
Denn neben der Hardware für Motorradreisen steht das Unternehmen für einen Lifestyle, der durch Filme, Magazine, Sportengagement und nicht zuletzt das Travel Event, ein gigantisches, jährlich stattfindendes Reisetreffen gelebt und transportiert wird.
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Pehl wird die Phase der vorläufigen Insolvenz nutzen, um sich einen Überblick über die wirtschaftliche Lage des Unternehmens zu verschaffen und Sanierungsoptionen zu prüfen. »Touratech hat bereits vor dem Insolvenzantrag mit seinen Beratern erste Grundzüge für ein Sanierungskonzept entworfen«, so Pehl nach seiner ersten Bestandsaufnahme. »Es geht nun zunächst darum, die begonnene Restrukturierung umzusetzen und Möglichkeiten zu entwickeln, um das Unternehmen auf eine gesunde finanzielle und wirtschaftliche Basis zu stellen, um den Standort und die Arbeitsplätze möglichst zu erhalten«, so Pehl weiter.Ursache der Insolvenz ist die verspätete Umsetzung des Neubaus, der auf Grund einer erhöhten Nachfrage notwendig war. Die damit verbundenen Schwierigkeiten seitens Logistik und Fertigung sowie die in erheblichem Umfang entstandenen Produktions- und Lieferausfälle führten schließlich zur Insolvenz.Alle Fotos © Touratech AG

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