Komm auf die Schaukel …
Traumstraße Harz

Komm auf die Schaukel …

Länge: 350 km
Dauer: 1-2 Tage

Terrain

Standard Road

Länder

Deutschland

Regionen

Harz , Niedersachsen

Mitten in Deutschland erwarten den Motorradreisenden urwüchsige Landschaften, eine überaus üppige Natur und – das Allerbeste – Kurven, bis die Flanke qualmt. Text + Fotos: Michael Engelke

Karbon – das bedeutet für die meisten motorisierten Zweiradfahrer edle Kunststoffteile, die, von Kohlenstofffasern zu sündhaft teuren Verkleidungsteilen mutiert, ans Mopped geschraubt werden. Dass das Karbon aber auch eine lange zurückliegende Periode der Erdgeschichte ist, weiß nur, wer im Geschichtsunterricht nicht gepennt hat. Aber eben diesem Karbon haben wir Motorradfahrer einiges zu verdanken. Zum Beispiel den Harz. Der faltete sich nämlich vor gut 300 Millionen Jahren, im Karbon halt, aus der Erdkruste hoch und entwickelte sich im Lauf der jüngeren Erdgeschichte zu einem Eldorado für Motorradfahrer.
Und in diesem Eldorado sind Kiki und ich nun unterwegs, gut versorgt mit Tipps von waschechten Harzern. Gestartet sind wir eben in Goslar. Ein wenig schlenderten wir allerdings vorher noch bei Sonnenschein durch Goslars alte Gassen, schließlich hat die UNESCO die Stadt zum Weltkulturerbe erklärt. Dann schwangen wir uns auf unsere BMW und rollten gen Süden. Kaum hatten wir Goslar auf der B 241 hinter uns gelassen, wurden wir schon mit den ersten Serpentinen belohnt. Zu Füßen des über 700 Meter hohen Bocksberges schlängelt sich der Asphalt durch die hügelige Landschaft. Nur wenige Kilometer weiter biegen wir nach rechts ab. Wie so viele Bachläufe im Harz haben auch »Laute« und »Innerste« spannende Täler geschaffen, denen die Straßen des Harz kurvenreich folgen.

Entlang des glitzernden Baches werfe ich die ST von einer Seite auf die andere, genieße jede Kurve, es ist die wahre Pracht. Wie ein Stroboskop blitzt dabei die Sonne durch die Lücken des Waldes rechts und links der Strecke. Dann unterbricht Clausthal-Zellerfeld kurz diese Kurvenorgie, doch wir rollen zügig durch den Ort, wollen weiter, Kurven und Straßen genießen. Vorbei am Okerstausee verschwinden wir dann wieder in den bewaldeten Harzhöhen inmitten des Nationalparks und genießen die knackigen Kurven am Sösestausee. Kurz vor Osterode endet für ein kurzes Stück die Kurverei, doch rasch erreichen wir Herzberg und wedeln wieder durch die Harz-Botanik. Diesmal ist es die »Sieber«, die den Erbauern der Straße ihren Schlingerkurs vorgegeben hat. Schräglage satt heißt es deshalb bis zum Oderstausee, hinter dem wir dann auf die gut ausgebaute »Harz-Heide-Straße« nach Norden abbiegen.

Irgendwann winkt uns das Schild nach St. Andreasberg von der Straße und damit wieder auf die kleinen Nebenstrecken, die mit ihren traumhaften Verläufen zwischen grünen Hängen, plätschernden Wassern und tiefen Tälern locken. Bis zum Fuße der über 900 Meter hohen Achtermannshöhe kurven wir durchs Grün, dann halten wir uns erneut gen Norden. Zwar gleicht die Strecke ab hier für einige wenige Kilometer eher einer Autobahn, aber dafür führt sie zu einem der beliebtesten Motorradtreffs im Harz, dem Torfhaus. Dieses Dorf auf 800 Höhenmetern gilt allgemein als die höchstgelegene Siedlung Niedersachsens. Bei schönem Wetter ist das Torfhaus Anziehungspunkt für viele Motorradfahrer aus der Region. Man trifft sich bei Pommes, Kaffee und Eis zum Gucken und Quatschen, und wer keine Lust zum Reden hat, genießt einfach die herrliche Aussicht auf den fünf Kilometer entfernten Brocken. Heute führen von hier Wanderwege auf dessen Gipfel, früher war der Berg der Hexen durch den DDR-Todesstreifen vom Westen aus unerreichbar.

Auf den Straßen des Harz lauern überall Starenkästen und Uniformierte

Nach einem lockeren Plauderstündchen reißen wir uns wieder los und rollen zurück in Richtung Süden. Allerdings sollte man das mit Bedacht tun, auf den Straßen des Harz lauern überall Starenkästen und Uniformierte, ein solches Urlaubsfoto kann recht teuer werden. Vorbei an Braunlage genießen wir noch mal richtig spannende Kurven, bevor wir in Hohegeiß ausrollen. Am Ortsrand, am Bärenbach, betreibt Harald Böhringer seinen Campingplatz, und als Motorradfahrer muss man sich dort einfach wohl fühlen. Gemütliche Wiesen fürs Zelt, komplett ausgestattete Caravans für Biker, tolle Tourentipps, eine kleine Motorradwerkstatt und vieles mehr hat sich Harald für seine bikenden Gäste ausgedacht. Außerdem gibt’s täglich frische Brötchen. Wir unterbrechen unsere Tour und genießen am Abend im platzeigenen Restaurant ein leckeres und preiswertes Essen.

Schon früh am nächsten Morgen sind Kiki und ich wieder auf den Reifen. Heute wollen wir uns die Straßen des Unterharz vornehmen. Gleich hinter Netzkater geht es schon wieder los mit diesem Kurvenrausch, der einen in den Harzwäldern anfällt. Bis Hasselfelde kriegen die Reifenflanken ordentlich was zu tun. Der Weg führt um die Rappbodetalsperre herum und entlang der Warmen Bode über weiteres Geschlängel bis nach Wernigerode. Warme Bode, Kalte Bode – einen Temperaturunterschied konnten wir trotz mutiger Probe zwischen den Flüsschen nicht feststellen.

Wir nehmen uns ein wenig Zeit für das bildschöne Städtchen Wernigerode. Die Heimat des leckeren Hasseröder Pils bietet auch für einen längeren Aufenthalt jede Menge Kurzweil. Die Altstadt, das Schloss, das 750 Jahre alte Rathaus, zahlreiche Museen sowie die Anbindung an die Harzer Dampfeisenbahn sorgen für Abwechslung. Wir belassen es bei einem Bummel durchs Zentrum, nehmen uns aber fest vor, noch mal vorbeizuschauen in der, wie der Heimatdichter und Umweltschützer Hermann Löns sagte, bunten Stadt des Harz. Südöstlich von Wernigerode erwartet uns das Bodetal. Auch ein Tipp von Harald und natürlich wieder ein echtes Kurvenkarussell. Vorbei an uralten steinernen Wegweisern düsen wir durch den schattigen Wald, und mehr als einmal begeistern wir uns für die sagenhafte Streckenführung. Über eine kurze Sackgasse machen wir einen Abstecher zur Roßtrappe. Auch hier trifft sich regelmäßig die Motorradszene zum Plausch und genießt den phänomenalen Blick von diesem über 400 Meter hohen Granitfelsen.

Spannende Kurven, tolle Landschaften, gute Straßen – der Ostharz bietet alles, was das Herz begehrt

In wildem Zickzack erkunden wir anschließend auf richtig feinen Motorradstrecken das Mansfelder Bergland. Hier mangelt es dem Motorradfahrer wahrlich an nichts: Spannende Kurven, tolle Landschaften, gute Straßen – der Ostharz bietet alles, was das Herz begehrt. In Stolberg, einem der schönsten Dörfer des Harz, ist eine Pause fällig. Vor rund 1000 Jahren als Bergmannssiedlung entstanden, punktet Stolberg heute mit seinen schönen Fachwerkhäusern, seinem Rathaus und dem Schloss. Wie ein Freilichtmuseum wirkt das ganze Ensemble, und vor der letzten Harz- Etappe stärken wir uns hier in einem der gemütlichen Restaurants mit Außenterrasse. Mit einem letzten Schlenker durch die abwechslungsreiche Landschaft des Unterharz steuern wir auf den Kyffhäuser zu. Dieser fast 500 Meter hohe Bergrücken trägt das Kyffhäuserdenkmal des Kaisers Friedrich I. Barbarossa. Bekannt unter Motorsportfreunden ist der Kyffhäuser natürlich auch durch sein Tourenwagen-Bergrennen. Doch ist die nördliche »Rampe« des Kyffhäusers nicht nur die Bergrennstrecke, sondern auch ein Mekka der Motorradfreunde aus der Region. 36 Kehren sind es bis zum Gipfel, und diese einmaligen Kurvenkombinationen sind ein echter Anziehungspunkt. Besonders am Wochenende fegen hier zahllose Motorradfahrer durch die Kurven. Dabei stehen dann nicht wenige Zuschauer rechts und links der Strecke und schauen dem Treiben interessiert zu. Unzählige Bremsspuren, die nicht selten an der recht stabilen Leitplanke enden, zeugen von einer ganzen Reihe maßloser Selbstüberschätzungen. Allzu leicht werden die hier teilweise gemeinen Hundskurven zur Falle. Wir lassen unsere Tour über die asphaltierten Wege des Harz hier am südlichen Rand enden. Zwar wäre die Strecke auch in einem Tag problemlos machbar gewesen, die ausgedehnten Pausen und die Übernachtung zwischen Ober- und Unterharz waren aber durchaus reizvoll. Wer will, kann sich aber auch nur einfach der Traumstraße hingeben – Grund genug gibt es dafür allemal.

Fahrzeit: Tagestour. Aufgrund vieler lohnenswerter Stopps kann aber schnell eine Zweitagestour daraus werden.

Highlights

Besonderheiten: Vorsicht, im Harz wird oft die Geschwindigkeit kontrolliert.
Sehenswert: In Wernigerode und Stolberg das Mopped abstellen und die Altstadt und die Schlösser zu Fuß erkunden. Das Kyffhäuserdenkmal und der Blick in die Landschaft von dort oben sind ungemein beeindruckend. Die »Nordrampe« des Kyffhäusers, eine beliebte Strecke für Bergrennen, ist mit ih­ren 36 Kehren eine echte Herausforderung für Zweiradfahrer und besonders am Wochen­ende eine spannende Unterhaltung für die Zuschauer rechts und links der Straße. Die Orte des Harzes glänzen mit einer Unmenge Museen, Ausstellungen und Sehenswürdigkeiten (www.harzinfo.de).

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Aus dem Heft:
Tourenfahrer 7/2007

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