TOURENFAHRER Leserreise 2009 »Marokko«

Jalah, Jalah...

Wenn der TOURENFAHRER seine Leser in die weite Welt entführt, dann ist das in der Regel nichts für Müßiggänger. Auch auf unserer gemeinsam mit Edelweiss Bike Travel orga­nisierten Leserreise Marokko steht im Vordergrund, viel von Land und Leuten zu sehen und möglichst viele kleine Reiseabenteuer zu erleben. Also »auf geht’s«, oder wie der Marokkaner sagt: siehe Überschrift … Text und Fotos: Uli Böckmann

Zum ersten Mal beginne ich einen Motorradurlaub mit dem Weg zum Flughafen. Fühlt sich komisch an, nicht vor dem eigenen Schuppen loszufahren, wie sonst immer. Dafür locken in Marokko weit im Oktober noch Temperaturen bis zu 35 Grad. Ein Trost. Rund 3000 Kilometer auf dem Motorrad kreuz und quer durch Marokko sind wohl so oder so ein Erlebnis, für mich aber ist es eine Feuertaufe in doppelter Hinsicht.

Erstens war ich noch nie mit einer so großen Gruppe auf Reisen, zweitens habe ich niemals zuvor Europa verlassen, wirklich nicht. So war ich durchaus freudig erregt, als die Marokko-Offerte kam, doch dämpfte sich mein Enthusiasmus, als ich die Gruppenstärke realisierte – 18 Leute, zwölf Maschinen, ein Transporter, welch ein Tross! Am Abend sitzen wir zum ersten Mal in der großen Runde beim Essen, und ich versuche, die 17 anderen Gesichter mit dem jeweils passenden Namen abzuspeichern. Bei vieren gelingt das auf Anhieb, und als ich ins Bett steige, weiß ich meinen eigenen auch noch. Guter Schnitt.

Tags drauf verlassen wir Europa. So eine Grenze hab ich noch nie gesehen, hier beginnt fühlbar eine ganz andere Welt. Fremde Gestalten wuseln umher, schwer zu sagen, wer hier ein Offizieller ist und wer nicht. Der leicht zerlumpte Kollege mit dem löchrigen Kaftan und dem ausgefransten Jutebeutel, der wie aus dem Nichts neben meiner GS aus dem Boden wächst, sicher nicht.

Links ganz nah das Meer, es brandet an doll dicke Wackersteine, rechter Hand, umzäunt von wehrhaftem Maschendraht, ein räudiger Hügel mit 45-Grad-Hang, an keiner Stelle die kleinste Deckung. Oben tauchen immer wieder Köpfe auf, zu weit entfernt, um ein Gesicht zu sein, zu nah, um ignoriert zu werden. Hinter mir spricht jemand meine Gedanken aus: »die armen Schweine …«. Denn wir sind schon auf dem Boden Afrikas, aber noch in der Enklave Ceuta, einem kolonialhistorischen Wurmfortsatz Spaniens. Für die Menschen auf der anderen Seite ist dieser Zaun zur EU die Grenze zu etwas mehr Hoffnung – was da oben abgeht, kennt man aus den Tagesthemen.

Manuel hatte uns an den rechten Fahrbahnrand dirigiert, und man merkt schon an der Art und Weise, wie die zwölf Maschinen abgestellt werden, dass hier instinktiv alle die Nähe der Gruppe suchen – Lenkerenden küssen sich. Wir lassen uns fahrige Stempel in die Pässe drücken und machen dabei ein wichtiges Gesicht. Der Zoll-Capo macht noch eine finale Runde und beginnt sie bei mir. Ich weiß nicht sofort, was er will, wieder wird von hinten souffliert: »Bakschisch, Mann …«.

Ich hätte gedacht, dass das irgendwie verschämter passiert, doch als ich dann zu lange nach einer Münze suche, zieht sich der Grenzer leicht gernervt in Eigenregie die Devise, die ihm behagt. Bevor ich an Protest denken kann, wandert der lappige Schein schon in die Tasche seines Helferleins, es ist der leicht zerlumpte Kollege mit dem löchrigen Kaftan und dem ausgefransten Jutebeutel – wohl doch zumindest ein Halboffizieller. Sieh an.

Da man die Landeswährung Dirham weder aus- noch einführen darf, ist ein Geldautomat unser erstes Ziel in Marokko. Der allerdings nicht funktioniert, und so ist Schlangestehen am Schalter angesagt, wobei wir belustigt im Inneren der Bank die Service-Kräfte bei ihren Bemühungen beobachten, den Automaten wieder flottzukriegen. Meine Einschätzung: Entweder wird er weiterhin gar nicht funktionieren, oder er spuckt danach gebrannte Mandeln aus.

Bald gehöre ich der berückenden Landschaft. Während wir uns auf der Küstenstraße entlangwinden, verflüchtigt sich früh eine meiner Hauptsorgen: An jeder dritten Ecke auf mindestens zwei Piepels warten zu müssen, gehörte in meiner Vorstellung zum Fahren in der Gruppe wie die Zwiebelringe zum Matjes. Weit gefehlt.

Wir sind im Rif-Gebirge, zugleich dem größten Cannabis-Anbaugebiet der Welt, das auf den kleineren Straßen die dollsten Überraschungen bereithalten kann, hört man es raunen. Einige aus der Gruppe überlegen, ob sie nicht vielleicht doch den Schlenker zur vorgegebenen Route fahren sollten, entschließen sich dann aber dagegen: »Nicht gleich am ersten Tag eigene Wege einschlagen.« Schade, dort auf den Bergstraßen lauert vielleicht ein kleines Abenteuer – aber wir genießen weiter die Landschaft. Immerhin spektakulär.

Aus der Einsamkeit der Berge plumpsen wir dann am Ende der Etappe ins pralle Leben, in Chefchaouen laufen die Bürgersteige über. Wir bollern im Dutzend langsamer zum Hotel in der Altstadt, es wird noch voller und enger, und würden wir einen T34-Panzer durch die Menge steuern, könnte die Aufmerksamkeit nicht größer sein. Meine zweite Befürchtung in Sachen Motorrad-Gruppenreise bewahrheitet sich somit.

Gerüche, Gestalten, Gemäuer, Gespräche – alles ist so weit weg von allem mir Vertrauten, dass ich froh bin, als Andy, der »Eisenarsch« aus der Schweiz, der zu unserer Tour mit der eigenen Adventure-GS vom Bodensee angereist ist, mich bei meinem Fotoausflug begleitet. Die Locals in den engen Gassen sind überaus freundlich, gehen offen auf jeden Besucher zu und erklären ohne Umschweife, dass bei ihnen – wir sollten Allah preisen für unser Glück – gerade heute die Sonderangebots-Wochen begonnen haben. Na so was.

Doch sind die vielen Händler auf eine sehr entspannte Art lästig, wozu wohl auch der unverkennbar-würzige Duft beiträgt, der in der Medina trotz strengsten Verbots um jede Ecke weht und stark daran erinnert, was in den Bergen rundum bevorzugt angebaut wird – »home-grown« in einer ganz anderen Dimension.

Der Typ, bei dem ich die Ledertasche gekauft habe, hatte jedenfalls Augen dick wie Eier. Spät gehe ich schlafen. Tief und traumlos. Wer gern lang schläft, sollte keine Edelweiss-Tour buchen. Es geht zeitig aus den Federn, der örtliche Muezzin hilft dabei gern mit dem »Fadschr«, dem ersten Gebet des Tages. Es findet – leider Gottes … – vor dem Sonnenaufgang statt, und was die alten Männer von ihren spitzen Türmen da in die Nacht plärren, ist im Kern eine harmlose Botschaft, doch wie sie es tun, nötigt Obacht ab. Zumal dann, wenn über die gleiche Lautsprecheranlage bereits verkündet wurde, dass Kaiser Wilhelm der Zweite gerade zu Besuch beim Sultan von Tanger ist. Um sich an diesen Sound zu gewöhnen, muss man länger als zwei Wochen bleiben.

Frühstück, Briefing, zügiger Aufbruch, mit ein paar hundert ganz neuen Kilometern vor der Brust und neugierig bis über die Ohren. Die Gruppe hat Konturen bekommen, inzwischen weiß ich, wer zu wem gehört und warum, und kann mir immer mehr Namen merken. Manchmal ordne ich sie sogar den richtigen Gesichtern zu. Es hat all meiner Skepsis zum Trotz etwas eigenartig Angenehmes, mit diesem bunten Haufen unterwegs zu sein. Das Fahren im Konvoi bereitet weiterhin keine Probleme, die gute Laune abseits des Asphalts macht sich auch unterwegs bemerkbar, und wir mutieren zu einem homogenen Wurm, der sich bisweilen längt, Kopf und Schwanz aber beisammenhält.

Ich sauge Luft und Landschaft auf, kann mich nicht satt sehen an immer Neuem und wäre auf so manchem Streckenabschnitt gerne mein eigener Sozius. Nach etlichen Stunden Fahrt, unterbrochen von vereinzelten Fotostopps und einer Snackpause an der Römerruine Volubilis erreichen wir Ifrane. Dieser Retorten-Skiort im Hohen Atlas hat so gar nichts mit dem Marokko zu tun, das wir bislang gesehen haben. Die Franzosen stemmten diese bemühte Al- penort-Kopie in den 30er Jahren hier in die schöne Gebirgslandschaft, wohl, um sich einen Hauch Hochsavoyen in den Orient zu holen.

Doch während die Berge wunderschön geblieben sind, verströmt Ifrane heute eher den Charme eines osteuropäischen … oder nein, nüchtern betrachtet verströmt es eher gar keinen Charme. Aber im Hotel gibt’s »Casablanca«-Bier, was die Meisten ziemlich smart finden. Es wird viel gelacht. Und die Luft ist super.

Der Tag beginnt affig und führt uns unsere Ursprünge vor Augen. Wir fahren eine weite Runde durch den Wald, zahllose Zedern versperren die Sicht auf die Hochebene. Die Straße ist ein unruhiger Flickenteppich mit feinen Rollsplitt-Applikationen, fahrerische Kurzweil ist garantiert.

Dass sich ein Teil unseres Trupps mit Brotresten eingedeckt hat, sollte sich bezahlt machen. Schon beim ers­ten Stopp tauchen die Berberaffen auf, und die Freude in der Gruppe ist groß, schließlich haben wir alle, selbst ich, eine solche Begegnung erhofft, was haben wir doch für ein Glück! Doch so, wie die Affen sich benehmen, hätte es wohl ohnehin einen Kontakt gegeben. Selbst stattliche Männchen lassen sich aus der Hand füttern, und wenn es ihnen mit dem nächsten Krumen jetzt aber echt zu lange dauert, dann greifen sie halt selber zu – erinnert mich irgendwie an die Grenze.

Nachmittags dann ein Besuch bei Berbers. Claus führt uns zu einigen Quellen, die sich in einem kleinen Wasserfall talwärts ergießen. Knapp unter dem Getöse haben die Berber rechts und links des rauschenden Baches schattige Pergolen aus Holz und Palmenblättern an den Fels gebaut und sie mit dicken Teppichen ausgelegt, große Sitzkissen und dampfende Tajines sind zu einladend, um hier nicht zu verweilen, und hätten wir nach zwei Stunden nicht weitergemusst nach Afourer, würde ich heute noch da sitzen. Bestimmt nicht allein.

Wir waren gewarnt worden vor Speisen und Getränken in Marokko, doch alle Prävention half nicht viel. Für Leitungswasser gilt ein generelles No-Go, und nicht jedem marokkanischen Fleisch-Spieß sind Magen und Darm ein ebenbürtiger Gegner. Die langen Sitzungen im kleinsten Raum des Appartements sind nun Thema in der Gruppe. Es tut gut zu erleben, dass sich jeder um jeden kümmert, Medikamentenbestände werden gecheckt, Behandlungstipps ausgetauscht und präventiv schon mal besprochen, was unternommen wird, wenn es bei einem gar nicht mehr geht. Egoismus hat hier scheinbar keinen Platz. Herrlich.

Die Gegend wird von Tag zu Tag großartiger, und ein wenig Abwechslung zur so faszinierend kargen Landschaft gibt es heute außerdem. Auf unserem Weg nach Marrakech besuchen wir die Cascades d’Ouzoud – schöner kann sich Wasser nicht in den Abgrund stürzen.

Wir parken die Bikes unter kostenpflichtiger Bewachung, wobei es längst keinen von uns mehr überrascht, dass in Marokko eigentlich immer und überall mindes­tens einer auftaucht, der ein Geschäft vorschlägt: Du willst dein Motorrad parken? Gut, ich pass drauf auf, macht zehn Dirham. Du suchst ein Restaurant? Gut, ich zeig es dir, macht zehn Dirham. Du willst den Himmel fotografieren? Gut, …

So findet sich ruckzuck ein Führer, der uns den Berg hinab an den Fuß der Wasserfälle bringen will, natürlich auf dem besten aller Wege und für fast keinen Lohn. So überqueren wir erst einmal den Fluss und latschen dann in einer Riesenschleife längere Zeit vom Wasser weg, Einzelne wähnen sich schon zu Fuß auf dem Weg nach Marrakech, als plötzlich ein Souvenir-Laden aus der Öde wächst, der dem Cousin unseres Führers gehört, welch ein Zufall.

Als wir dann endlich unten angelangt sind, stehen wir vor dem Problem, jetzt irgendwie über den Fluss zu müssen, denn das Restaurant ist am anderen Ufer. Aber erneut will der Zufall es, dass unser Lotse einen Bruder mit einem Floß hat, der uns für nur 20 Dirham pro Nase in zwanglos gebildeten Kleingruppen rüberrudert. Und während wir im Floß sitzen, können wir erkennen, dass uns von unserem Parkplatz aus eine bequeme Treppe in direkter Linie die Felsen hinab zum Restaurant geführt hätte – aber schön, wenn einem geholfen wird …

Spätestens hier hätte ich mit dem einen oder anderen Ausraster gerechnet. Doch auch in der Hitze des Nachmittags, nach Stunden im Sattel und einem in weiten Teilen überflüssigen Marsch, quasi hungrig und durstig am Nasenring um die Kaskade geführt und dann auch noch abgerippt, bleiben alle ruhig und – kaum zu glauben – guter Stimmung. Da war ich in dieser Gruppe angekommen.

Marrakech schüttelt uns am Abend die Erschöpfung aus den Kombis, kaum einer bleibt im Hotel. Auch der gesamte nächs­te Tag gehört allein dieser unglaublichen Stadt, die zu beschreiben müßig ist. Vor allem anderen ist sie laut, hektisch und sehr geschäftstüchtig, im berauschenden Labyrinth der Medina ohnehin.

Ich sitze zum ersten Mal in einem Taxi, das laut Fahrer mehr als 2,5 Millionen Kilometer auf der Uhr hat, und ich hege daran keinen Zweifel. Doch es bringt uns zum Herzen Marrakechs, dem Jamaa-el-Fna, dem Platz der Gehenkten, für den ich in vier Reiseführern fünf verschiedene Schreibweisen gefunden habe.

Die Stadt saugt uns in ihren Strudel, und als sie uns am übernächsten Morgen wieder ausspuckt, habe ich all die Dinge gekauft, die ich auf keinen Fall kaufen wollte. Und ich bin nicht der Einzige, die Lieben daheim werden sich freuen. Spätestens in Marrakech bin ich auch in Marokko angekommen. Diese Stadt kommt einem so nahe, dass auch nichts anderes übrig bleibt. Die Feilscherei mit den Händlern macht in der Gruppe schon beinahe Spaß, wenn man nicht hinterher immer noch das Gefühl hätte, doch abgeledert worden zu sein.

Angeblich sollte man nach dem Deal in etwa bei einem Drittel der zunächst geforderten Summe landen, dann hat man immer noch gut bezahlt. Doch diesen Wert erreiche ich nie. Nicht im Ansatz. So erschließt sich mir nach ein paar Stunden in der Medina von Marrakech, warum die Hauptstadt Marokkos Rabat heißt.

Tag sechs der Reise ist die Höhe. Wir erklimmen den Tizi-n-Tichka-Pass im Hohen Atlas, und die Umgebung dort ist nicht von dieser Welt, ist wie ein brauner, felsiger und menschenleerer Mond, man kann leicht von ihr ergriffen sein. Für den langen Aufstieg sucht jeder seinen eigenen Rhythmus, und als wir uns später auf der Passhöhe sammeln, sind die Festplatten voll.

Der Bruch zu dem, was noch gestern war, könnte größer nicht sein. Da staunte ich zur selben Zeit in der Medina noch darüber, dass es zerlegbare Reise-Wasserpfeifen aus Edelstahl gibt, umringt von lärmenden Massen. Und jetzt das hier, man wähnt sich allein auf dem Planeten – bis dann ein Mineralien-Verkäufer ins Bild kommt, wie immer aus dem Nichts: »Onnli handrett Dirhams, iz oridschinell…« Hmm, schon klar.

Wir erreichen Ouarzazate, die meisten Wege, die von der geteerten Straße abzweigen, sind nur noch Pisten. Dörfer werden spärlicher und immer fremd­artiger, im Land der Berber ist vieles noch sehr ursprünglich, die Häuser sind Lehmburgen und die Verkehrsmittel oft Esel. Etwa die Hälfte der Kilometer liegt nun hinter uns, und wohl keiner aus der Truppe spürt sie nicht in den Knochen.

300 bis 400 Tageskilometer mögen nicht sonderlich strapaziös klingen, aber in der Realität sind das etliche Tage im Sattel auf zum Teil herrlich anstrengenden Straßen, nur unterbrochen von einem schweißtreibenden Marrakech-Marathon. Ich bin zudem bereits so randvoll mit überwiegend fremdartigen emotionalen Daten, dass ich da kaum noch Kapazitäten sehe. Als ich dann abends in Boumalne Dadès auf dem Balkon meines Hotelzimmers sitze und aus dem Dorf unten im Tal die Trommeln höre, würde ich schon gern ihrem Klang folgen. Aber ich bin einfach zu kaputt, sollen sie ohne mich trommeln.

An jedem Tag beginnt eine neue Reise. Wir ziehen eine große Schleife durchs Land, rollen jetzt Richtung Sahara, den Hohen Atlas als grandiose Kulisse links am Horizont, es ist atemberaubend. Wie auch der kleine Sandsturm, der uns für eine Viertelstunde an den Straßenrand zwingt. So habe ich auch das mal erlebt und werde außerdem bald wissen, was es kostet, meine neue Kamera zu reinigen.

Erfoud ist unser Stützpunkt für zwei Nächte, der morgige Tag gehört dem Erg Chebbi, Marokkos Dünenspielplatz. Und so wie man im Basis-Camp am Fuße des Himalaya überproportional viele Bergsteiger sieht, so versammeln sich in Erfoud ganz offensichtlich die Wüstenpiloten.

Am folgenden Tag wählt jeder seine eigene Art, sich der Wüste zu nähern. Aber ob Kamel oder Motorrad, Quad oder Jeep, irgendwann hat jeder den Sand überall. Auch im Kopf, denk ich am Abend, als ich im Restaurant ein weißes Dromedar sehe, das eine Flasche Wasser trinkt. Aber das ist kein Sand im Hirn, sondern eine Einlage der Animationsabteilung. Sehr gelungen. Wie überhaupt alles bisher.

Und es stehen immer noch Highlights aus. Etwa die längste Etappe der Tour am folgenden Tag von Erfoud nach Fès, 440 Kilometer immer Richtung Norden, etwa 300 davon kurvige Bergstraßen, juchz.

Während sich in Marrakech das Orientalische so atmosphä­renschwer mit dem Kolonialstil verbindet, geht Fès da noch einen Schritt weiter zurück, nah ans Mittelalter. 9700 Gassen hat die Medina von Fès, viele nicht breiter als einen Meter. Und wenn ich auch dachte, dass mich in Marokko inzwischen nichts mehr umhauen könnte, so hatte ich meine Rechnung doch ohne die Altgrubengerbereien in Fès gemacht. Dort stehen in zahllosen Steinbottichen junge Männer mit nackten Beinen in einer Brühe aus Kalk, Taubenkot und Urin, und der Gestank spottet jeder Beschreibung. Erstaunlich, wie viele Minzblätter in ein Nasenloch passen.

Dennoch setzt Fès einen großartigen Schlusspunkt hinter unsere Reise, der sich wie ein Ausrufezeichen anfühlt. Als wir uns wieder in die Sättel schwingen, sehe ich ausnahmslos in satte Gesichter, vielen ist anzumerken, dass ihre Erwartungen mehr als erfüllt wurden. Und das gilt nicht nur für heute.

Zwei Tage werden wir noch zusammenbleiben, einer davon ist tatsächlich verregnet, und so wird unser Ritt nach Asilah an die Atlantikküste eine feuchte Angelegenheit. Eine letzte Nacht in Marokko, ein letzter Blick übers Meer, morgen wartet die Fähre nach Spanien.

So schnell schon? Mein Resümee: Ich werde nie wieder etwas gegen Gruppenreisen sagen, ich schwör’s. Mag sein, dass wir alle einfach nur Glück hatten miteinander, aber dieser höchst intensive Trip hat mir in vielen Momenten vor Augen geführt, dass man sich gerade in der Fremde in solch einer gut gelaunten Truppe sehr wohl fühlt. Und nach Umbrien kann ich dann ja wieder alleine fahren …

Anzeige

Anzeige

TOURENFAHRER-Newsletter

Mehr frische Infos und Angebote finden Sie im TOURENFAHRER-Newsletter.

Jetzt registrieren