Berg-und-Tal-Bahn
Traumstraße Weserbergland

Berg-und-Tal-Bahn

Länge: 230 km
Dauer: 1-2 Tage

Terrain

Standard Road

Länder

Deutschland

Regionen

Weserbergland , Niedersachsen , Nordrhein-Westfalen , Hessen

Traumstraßen Deutschlands – Weserbergland

Eine Runde durch das Weserbergland ist ein ständiges Auf und Ab zwischen dem Tal der Weser und den Gipfeln der umliegenden Höhenzüge. Wer hätte gedacht, dass sich in der nördlichen Hälfte der Republik sogar Serpentinen finden lassen? Text + Fotos: Michael Engelke

Keine 30 Meter weit können wir sehen. Dichte Nebelschwaden wabern wie überdimensionierte Zuckerwatte über der Straße. Die Weser müsste eigentlich links neben dem Asphalt sein, aber sie lässt sich nur erahnen. Mit arg gedrosseltem Tempo rollen wir durch das Wesertal, dann hinauf nach Ottenstein. Arbeiten uns wie ein startender Flieger durch die Schwaden nach oben. Baumreihen tauchen aus dem Nebel auf, die ersten Sonnenstrahlen kämpfen sich erfolgreich durch die Suppe. Mit jeder Kehre wird es einen Tick heller, die ersten Blautöne mischen sich in das Einheitsgrau, und kaum haben wir 200 Meter Höhe erreicht, sind wir raus aus den Wolken. Die Aussicht von hier oben ist fantastisch. Unter uns liegt das mit weißer Watte gefüllte Tal der Weser, hinter uns lässt die vormittägliche Sonne das noch feuchte Grün aufglühen. Gut, dass es Silke gibt. Ohne sie hingen wir wohl noch immer in der Suppe. Silke Garbe betreibt das TOURENFAHRER-Partnerhaus »Café Pause«, nicht weit von hier, in der kleinen Gemeinde Hehlen. Und Harley-Fahrerin Silke hat tolle Tipps für eine Runde durch die Region, die sie uns heute morgen auf die Karte gemalt hat. Der Asphalt hier oben ist bereits trocken, also nutzen wir die Kurvenschwünge zum Warmfahren. Zwar geht es hinter Ottenstein noch mal für kurze Zeit bergab bis an die Weser, aber schon am zweiten Aufstieg braucht man deutlich weniger Höhenmeter bis hinein in die Sonne. Welch ein Glück, liegen doch hier bei Brevörde ein paar der schönsten Kurven des Weserberglands, die weit über die Region hinaus bekannt sind. Wer nicht gern im Rampenlicht steht, ist hier allerdings weniger gut aufgehoben – es sind typische Schaukurven, in denen sich bei schönem Wetter reichlich Zuschauer ansiedeln, die Schräglagen und Fahrstil beobachten und kommentieren. Steigungen oder Gefälle à la Eifel oder Sauerland gibt es hier zwar nicht, aber auch diese sanft gewellte Landschaft gab den Straßenbauern Gelegenheit, ihr Können zu demonstrieren.

Als traumhafte Alleen winden sich die schmalen Nebenstrecken in Richtung Forst Falkenhagen. Und ganz nebenbei haben sie auch noch fantastische Panoramen zu bieten. Nicht umsonst findet sich hinter Meiborssen ein höchstamtliches Verkehrsschild mit der vielversprechenden Aufschrift »ausblickreiche Höhenstrecke«. Verdächtig viele Motorräder sind hier unterwegs, Klar, mein halb geschielter Blick auf die Karte im Klarsichtfach des Tankrucksacks bestätigt es – wir nähern uns dem Köterberg. Schwungvoll geht es nach oben auf fast 500 Meter Höhe und damit auf den höchsten Punkt des Lipper Berglandes. Oben auf dem Gipfel steht seit 1929 das Köterberghaus. Damals als Wanderherberge errichtet, ist der achteckige Bau heute der angesagte Motorradtreff der Region. Der schönste Rundblick in ganz Norddeutschland sei das hier, erklärt uns Wirt Rudolf Brand. 62 Ortschaften könne man von hier oben sehen. Wir sparen uns das Nachzählen, gönnen uns einen heißen Kaffee, dann schrauben wir uns wieder den Berg hinunter.

Glück für uns, heute ist Oldtimer-Rallye im Weserbergland. Uralte, aber top erhaltene Schmuckstücke kommen uns entgegen. Strahlend blaue Käfer, sportliche Borgwards, ein Horch und weitere Marken, die kaum noch jemand kennt. Zwei Jungs im historischen Porsche haben ein paar Kilometer weiter die Orientierung verloren. Mit unserer Karte führen wir sie wieder auf den rechten Pfad. Langsam grummelt es im Bauch. Wie meinte Silke heute morgen doch gleich? »Wenn ihr Hunger habt, dann müsst ihr unbedingt bei Silvia Alleblas in ihrem Kornhaus-Café vorbeischauen. « Also ab nach Haarbrück. Nimmt die Zahl der Motorradfahrer stetig zu, ist man garantiert auf dem richtigen Weg. Gleich am Ortsrand steht »Silvy's Kornhaus-Café«, und ein paar Minuten später steht auf dem Tisch der größte uns bekannte Flammkuchen, bestückt mit Speck und Lachs, eine Delikatesse. Kein Wunder, dass hier so viele Biker einen Stopp einlegen. Wenn Silvia nächstes Jahr an gleicher Stelle ihren Samba-Express aufgestellt hat, einen ausgemusterten Eisenbahnzug, dann werden es wohl noch ein paar mehr sein.

Die Bedienung im Café schaut uns ein wenig distanziert an

Im mondänen Bad Karlshafen wechseln wir wenig später die Weserseite. Ein schmuckes Kurstädtchen mit einer Promenade am Hafen, weißen, barocken Säulengängen, Cafés und Fachwerkbauten, Museen und dem historischen Rathaus. Ein wenig distanziert schaut uns die Bedienung im Café schon an. Leder statt Loden, Gore-Tex statt Schlips – Grund genug zur Skepsis. Den Keks zum Cappuccino bekommt nur der Nachbartisch. Okay, ich spiele den Ball zurück, hole die eigene Keksrolle aus der Packtasche. Damit sind die Fronten geklärt, wir werden durch eisernes Schweigen gestraft. Immer noch schmunzelnd verlassen wir bald wieder Bad Karlshafen, folgen den Schildern zur Jugendherberge. Die führen über eine kleine, gewundene Nebenstrecke hoch in den Staatsforst Winnefeld und damit gleich hinter der Stadtgrenze zum Dreiländereck. Ein großer Stein markiert die Stelle, wo Nordrhein-Westfalen, Hessen und Niedersachsen zusammentreffen.

Entlang der Deutschen Märchenstraße geht es weiter. Märchenhaft ist sie tatsächlich, jedenfalls für Schräglagen-Junkies. Mitten durch den Naturpark Solling schlängelt sich das schmale Asphaltband, und das hat man fast für sich allein. Autos sind hier nur wenige unterwegs, die meisten folgen unten im Tal der Weser. Kurz mal senkrecht bleiben und hinein nach Fürstenberg. Die weltbekannte Porzellanmanufaktur des Weserstädtchens ist die zweitälteste Deutschlands. Sie wurde schon 1747 gegründet. Im Renaissance-Jagdschloss, gleich an der Hauptstraße, informiert das Porzellanmuseum anschaulich über drei Jahrhunderte Porzellankultur. Interessant schon deshalb, weil man an speziell eingerichteten Arbeitsplätzen den Fachleuten bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen kann. Porzellan hin, Kultur her, uns ruft die Traumstraße. Die man im Solling auch sofort wiederfindet – kurvenreich und wie für Zweiradfahrer gemacht. Über Neuhaus geht es quer durch den Wald. Ab und zu lichtet sich der dichte Forst, öffnet sich für saftige Wiesen, auf denen Kühe und Schafe weiden, hier und da ein paar Höfe auftauchen. Nur kurz wird das Grün von Holzminden und Bevern unterbrochen. Gleich dahinter folgen wir dem Forstbach, sehen uns unterhalb des 350 Meter hohen Schweinebergs sogar mit ein paar Serpentinen konfrontiert und landen wenig später am Weserufer. Ein paar Kilometer entlang des Flusses, und dabei fällt der Blick immer mal wieder auf die Schiffe. Für uns Landratten erstaunlich, wie die dicken Pötte so sicher durch den schmalen Wasserlauf bugsiert werden.

Im Geburtshaus des berühmten Lügenbarons Münchhausen wird heute Politik gemacht

Bei Polle schließlich bietet sich die Gelegenheit, selbst eine Bootsfahrt zu unternehmen. Zu Füßen der gleichnamigen Burg schiebt sich eine Fähre über die Weser. Einen eigenen Motor hat das Schiff nicht. Geführt an einem Stahlseil über den Fluss, wird allein durch geschicktes Manövrieren das andere Ufer erreicht. Das kennen wir schon, und von hier sind es nur noch ein paar Minuten, bis wir wieder im »Café Pause« eintreffen. Wer noch ein Stück weiter rollt, landet in Bodenwerder, das heute Morgen im Nebel versank. Dort steht das Geburtshaus des berühmten Lügenbarons Münchhausen, gleich an der schönen Weserpromenade Bodenwerders, und was passiert heute darin? Es wird Politik gemacht – wenn das mal nicht symptomatisch ist. Nun wollen wir zwar nichts unterstellen, aber schmunzeln müssen wir doch, als wir vor dem Rathaus der Oberwesergemeinde ausrollen. Nicht nur die Stätte der regionalen Politik findet sich in den Gemäuern des einstigen Münchhausener Gutshofs, sondern auch das Münchhausen-Museum, unser eigentliches Ziel. Exponate aus dem persönlichen Besitz des Hieronymus von Münchhausen, Bilder und Urkunden, Dokumente und vielerlei Wissenswertes, liebevoll zusammengetragen, zeichnen den Lebensweg des fantasiereichen Freiherrn nach. Über 700 Buchausgaben sollen es inzwischen sein, in denen sich die tolldreisten Erzählungen wiederfinden. Ein Ort, an dem beim Herumstöbern schnell die Zeit in Vergessenheit geraten kann. Aber morgen ist ja auch noch ein Tag. Und nördlich von Hehlen soll es ja auch noch ein paar gute Kurven geben. Das kann uns Silke bestimmt genauer erklären. •

Fahrzeit: Tagestour, lässt man sich jedoch Zeit für Motorradtreffs und Sehenswürdigkeiten, werden daraus auch locker zwei Tage.

Highlights

Besonderheiten: Viele kurvenreiche Nebenstrecken durch idyllische Landschaften mit abwechslungsreichen Motorradtreffs.
Sehenswert: Münchhausenstadt Bodenwerder mit Museum und hübschem Ortskern. Motorradtreff am Köterberghaus mit Gastronomie und fantastischem Panorama (www.koeterberg.de). Tonenburg bei Höxte/Albaxen: beliebter Motorradtreff und Unterkunft, hier finden auch zahlreiche Events rund ums Motorrad statt (www.tonenburg.de). Bad Karlshafen: interessante Kurstadt, etwas versnobt, aber wunderschönes Fachwerk, Burgruine, Bauten und Museen. Porzellanmanufaktur in Fürstenberg mit kurzweiligem Porzellanmuseum. Einmalig ist Holzmindens »Duftender Stadtrundgang«. An 15 Duft-Stelen werden Informationen zum jeweiligen Standort und über Düfte und Aromen vermittelt (www.holzminden.de).

Aus dem Heft:
Tourenfahrer 1/2008

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