Motorradtour kompakt

Oberwälder Land

Jens Homberg ließ sich vom Oberwälder Land in ein reizvolles Motorradrevier abseits gängiger Routen locken.

Oberwälder Land – wo liegt das denn? Diese Frage stellten mir meine Mitstreiter bei der Planung des 6. Twinduro-Nordtreffens auf der Tonenburg. Da das TF-Partnerhaus bekanntlich nahe Höxter an der Weser liegt und die traditionelle Roadbook-Rallye die 200-km-Marke nicht deutlich überschreiten sollte, war die geographische Einordnung im Bereich des Weserberglandes gar nicht so schlecht.

Doch die Highlights dieser Region wie Ottensteiner Höhe, Rühler Schweiz oder Köterberg standen diesmal nicht auf dem Programm. Während zahlloser Fahrten auf der Ostwestfalenstraße als zügiger, nicht monotoner Nord-Süd-Verbindung waren mir immer wieder kleine Straßen aufgefallen, die links und rechts von der B252 abzweigen und kurvenreich im Wald oder hinter der nächsten Hügelkuppe verschwinden. Doch trotz verlockender Pfade blieb es bisher immer nur beim Vorsatz.

Da bot die Routenplanung für das kommende Reise-Enduro-Treffen die willkommene Gelegenheit, den Vorsatz auch in die Tat umzusetzen und das Straßen- wie Wegenetz zwischen der Weser und dem Naturpark Eggegebirge/südlicher Teutoburger Wald unter die Pneus zu nehmen.

Motorradtour kompakt – Oberwälder Land
Reiseinformationen und Karte

Beim Blick auf die Karte fiel auch mir erstmals der Namenszug »Oberwälder Land« auf, den ich phonetisch eher süddeutschen Gefilden zugeordnet hätte. Zu verdanken hat die Region ihren Namen jedoch dem Panorama, das sich von Paderborn aus Richtung Osten bietet. Es umfasst jenen Landstrich »oberhalb des Waldes«, mit dem die waldreichen Höhenzüge des Teutoburger Waldes und seinem südlichen Ausläufer, dem Eggegebirge, gemeint sind.

Vom Burghof der Tonenburg aus queren wir die B83 nur kurz, um nach Albaxen den etwas ruppigen Asphalt einer schwungvollen kleinen Straße durch den Wald unter die Stollen unserer Twins zu nehmen. Weithin sichtbar ist der Sendeturm auf dem 497 Meter hohen Köterberg, dem beliebtesten Motorrad- Treffpunkt in der Region. Der Parkplatz am Fuße des Turms ist an Wochenenden bei schönem Wetter bis auf die letzte Stellfläche von Bikes aller Kategorien belegt.

Wir dagegen passieren unterhalb des Köterberges auf kaum befahrenen Straßen beschauliche kleine Dörfer wie Kollerbeck und Ruensiek und umrunden dabei in großem Bogen zur Hälfte die 1127 gegründete Benediktinerabtei Marienmünster. Sie zählt zu den wenigen fast vollständig erhaltenen Klosteranlagen in NRW. Berühmt ist die Orgel der Abteikirche, auf der Organisten aus ganz Deutschland regelmäßig Konzerte geben.

Unter uns schnurrt stattdessen der 52-Grad V2. Vor dem Ortseingang von Kariensiek lädt ein geschotterter Feldweg zum Durchstreifen der in sattem Gelb blühenden Rapsfelder ein.
Südlich von Bredenborn lohnt ein Abstecher rechts des Weges zum Gut Abbenburg. Wer mag, kann hier im Standesamt heiraten oder im Restaurant fürstlich speisen. Da wir weder ledig sind noch nach einem guten Frühstück hungern , fahren wir weiter und überqueren das Flüsschen Nethe und die B252, welche das Oberwälder Land quasi in eine Ost- und Westhälfte teilt.
Wir folgen dem Hinweisschild zur Ortschaft Pömbsen, was nichts mit eleganten und hochhackige Damenschuhe zu tun hat. Pömbsen verdankt der Chronik nach seinen Namen einem Römer Namens Pumi, der sich im Jahre 875 hier niederließ.

Einen herrlichen Fernblick weit über das Oberwälder Land von den Höhen des Eggegebirges bis zum Köterberg gewährt der Kapellenberg, auf der die dem heiligen Johannes gewährte Kluskapelle steht. Wir lassen auf der Weiterfahrt Bad Hermannsborn mit seiner Kurklinik links im Talgrund liegen und folgen exakt der ostwärtigen Grenze des Naturparks Eggegebirge/ südlicher Teutoburger Wald.

Bei Himmighausen passieren wir den Varus-Berg, dessen Name auf den römischen Feldherrn hinweist, der in der berühmten Schlacht am Teutoburger Wald von den Germanen unter Arminius geschlagen wurden. Hier gefundene römische Münzen ließen einige Forscher vermuten, dass sich die Schlacht womöglich hier zugetragen haben könnte. Zumindest ist das Oberwälder Land reich an römischen Münzfunden aus der Zeit des Augustus und des Tiberius und mehrere frühere römische Lager werden in der Region vermutet.

Ab Bergheim begleiten wir das Flüsschen Home und befinden uns bald am Fuße des höchsten Berges des Eggegebirges, des 468 Meter hohen Preußischen Velmerstot. »Preußisch« heißt er deshalb, weil sich rund einen Kilometer entfernt die Kuppe des 441 Meter hohen Lippischen Velmerstot erhebt. Die Namen weisen auf die einst zwischen den Gipfeln verlaufende Grenze zwischen dem Fürstentum Lippe und Preußen hin. Das nahgelegene Silberbachtal bildet die geografische Grenze zwischen Eggegebirge und dem Teutoburger Wald.

Leider führt an dieser Stelle kein legal befahrbarer Weg über den Höhenzug, so dass wir den nördlichen Ausläufer des Eggegebirges umrunden müssen. Von hier aus ist es nur noch ein Katzensprung zu lohnenden Abstechern wie den Externsteinen, der Adlerwarte in Berlebeck oder zum Hermannsdenkmal.

Wir verlassen die B1 nach anderthalb Kilometern und streben auf der in der Karte grün markierten Strecke entlang des westlichen Waldrandes des Eggegebirges gen Süden auf Altenbeken zu.

Der eher beschauliche Ort gilt als einer der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte Deutschlands und besitzt in diesem Zusammenhang einen architektonischen Höhepunkt der Tour: Der 482 Meter lange Bekeviadukt ist Europas größte Kalksandsteinbrücke und quert in 24 mächtigen Bögen in 35 Meter Höhe das Tal der Beke. Auf die Bedeutung Altenbekens für den Eisenbahnverkehr weist neben dem Viadukt und dem 1632 Meter langem Rehbergtunnel eine alte Dampflok hin, die im Ort als Denkmal aufgestellt wurde. Die noch immer große Bedeutung Altenbekens für die Bahn spiegelt sich darin wieder, dass selbst ein ICE auf den Ortsnamen getauft wurde. König Friedrich-Wilhelm IV von Preußen ließ sich angesichts der Baukosten in Höhe von 573.000 Taler bei der Einweihung des Viadukts zu dem Ausspruch verleitet: »Ich habe geglaubt, eine goldene Brücke vorzufinden, weil so schrecklich viele Taler verbraucht worden sind.«

Gar nicht schrecklich, sondern höchst vergnüglich ist dagegen der nächste Roadbook-Abschnitt zwischen Altenbeken und Langeland. Die Fahrfreude wird auf dem extrem kurvenreichen Streckenverlauf jedoch ein wenig durch die speziell Motorrädern auferlegte Tempobegrenzung von 70 km/h getrübt, die man besonders an Wochenenden auch tunlichst einhalten sollte. Fahrfotos auf der Strecke wollen wir möglichst selbst und nicht mit »behördlicher Unterstützung« schießen.

Wer sich nicht schon in einem Altenbekener Eiscafé gestärkt hat, kann dies spätestens im Kurort Bad Driburg nachholen, dessen Kurviertel wir jedoch nur kurz streifen, um dann bei Herste die Tour wieder auf einspurigen Feldwegen fortzusetzen. Schon von weitem grüßt bald darauf die vom örtlichen Heimatverein schön restaurierte Burg Dringenberg, in der Mitte des gleichnamigen Ortes gelegen. Im Burghof erfahren wir, dass Pioniere der Bundeswehr den alten Burgbrunnen bis in 38,60 Meter Tiefe wieder freigegraben haben.

Für Freunde historischer Sakral- und Profanbauten ist das Oberwälder Land eine wahre Schatztruhe. Auch uns bieten sich zwischen Neuenheerse und Niesen viele Abstecher zu altehrwürdigen Burgen, Schlössern und Kapellen. Ganz dem leiblichen Genuss dagegen trägt ein Besuch des Schlosses von Rheder Rechnung, denn hier werden mit seit 1686 verbrieftem Braurecht von der Gräflich von Mengersen’schen Dampfbrauerei Pils, süffige Bockbiere und der »Husarentrunk« gebraut. Damit wird Adolf Freiherr von Spiegel, dem Begründer der von Spiegel’schen Dynastie, in deren Besitz sich Schloss und Brauerei heute befinden, Reverenz erwiesen. Diente er doch als Rittmeister dem westfälischen Husarenregiment Nr. 8, an das ein kleines, im Schloss untergebrachtes Museum erinnert.

Bergauf verlassen wir das Tal der Nethe und werden von weitem vom Wahrzeichen in Auenhausen gegrüßt: Ein unter einer Kuppel verborgenes Radargerät blickt oberhalb des Dorfes weit in den norddeutschen Luftraum. Die Radarstation und den auf einem Sockel postierten alten »Starfighter« lassen wir rechts liegen und fahren auf Serpentinen nach Erkeln hinab und durch den Erkelner Wald nach Tietelsen. Hier beginnt der kurvenreiche letzte Abschnitt der Roadbook-Rallye über Bruch hausen, Bosseborn und Bremerberg. Von dort aus sind es nur noch wenige Schwünge durch den Forst Corvey zurück zur Tonenburg.

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