Motorradtour kompakt

Rund um Berlin

In vier Tagen genüsslich einmal komplett rund um die Hauptstadt, auf holprigem Kopfsteinpflaster oder beschwingt über die Märkische Eiszeitstraße: wer in Berlin Motorrad fährt, muss ab und zu ausbrechen.

Falls das Geld für einen Tagesausflug nach Paris, London, New York oder Tokio einmal nicht reichen sollte, bietet sich dem Berliner die Mark Brandenburg als lohnendes Ausweichziel an, und bei der Gelegenheit kann man auch gleich die ganz Stadt umrunden.

Beschwingt geht’s über die B158 Richtung Norden. Aber erst hinter Tiefensee weicht allmählich der Eindruck, Berlins faserige Ränder würden nie ein Ende finden. Auf die erste von tausend zauberhaften ländlichen Alleen folgt ein kurviges Runter- und-Rauf, so wie man es sich mit dem Motorrad wünscht. Nach Bad Freienwalde noch mal hinunter, und schon haben wir unsere Umlaufbahn um die Hauptstadt erreicht. Die Bezeichnung »Märkische Eiszeitstraße« findet in Falkenberg ihre Erklärung, wo ein steiler Anstieg auf die Endmoräne führt, der Gesteinsschutt eines eiszeitlichen Gletschers.

Motorradtour kompakt – Rund um Berlin
Reiseinformationen und Karte

Herrlicher Laubwald rauscht duftend hinter Zerpenschleuse und sobald die buschbestandenen Wiesen beginnen und Liebenwalde in der Ebene auftaucht, fehlt eigentlich nur noch die obligatorische barocke Kirche, um die Illusion von einer idyllischen oberbayerischen Landschaft perfekt zu machen. Nur sieben Kilometer weiter liegt in sanft hügeliger Waldlandschaft das Schlossgut Liebenberg. Kaffee und Kuchen locken unwiderstehlich, einmal vom Motorrad abzusteigen.

An der Ortseinfahrt in Neuruppin zeigt sich, ob das wellige Kopfsteinpflaster des Oderbruchs nicht die eine oder andere Schraubverbindung an der Maschine losgeschüttelt hat. Im hübschen »Tempelgarten«, einer Parkanlage mit tempelartigem Gebäudekomplex, dessen Bau auf Kronprinz Friedrich von Preußen im Jahre 1735 zurückgeht, findet der erste Tag mit einem Abendessen seinen Ausklang.

Der nächste Tag führt uns zur mumifizierten Leiche des Ritters Christian Friedrich von Kahlebutz in die Kampehler Wehrkirche. Er wurde beschuldigt, einen Schäfer erschlagen zu haben, was man nicht beweisen konnte. Mit dem Reinigungseid »Ich bin es nicht gewesen, sonst soll ich nicht verwesen« soll er sich der göttlichen Strafe überantwortet haben. Wir sehen ihn als Mahnung für jeden Biker an die Gnadenlosigkeit der Straße: Immer gut aufpassen, sonst siehst du bald aus wie der!

Vom Ritter zur Hexe bringt uns das adrette Sieversdorf, das sich stolz »Hexendorf« nennt, nach einer angeblich 1669 verbrannten Dame. Einen Sprung aus der älteren in die recht junge Geschichte der Luftfahrt führt uns nach Stölln, wo man sich auf Otto Lilienthals Sprunghügel die Beine vertreten und eine Iljuschin 20 der Interflug besichtigen kann.

Weite, Sonne und rauschende Alleen: Die Idylle des dünn besiedelten Ländchens Rhinow vermag den Besucher in eine andere Welt zu versetzen. Wenn im Hochsommer nur der Fahrtwind Kühlung verschafft, kommt man sich vor, als sei man in Südfrankreich unterwegs. In Schollene verdient eine legendäre Radkappensammlung Beachtung, die sich praktischerweise an einer Scheunenwand ausstellen lässt, bevor uns die Tour, von Geschützdonner begleitet, durchs kiefernbestandene, sandige Truppenübungsgelände am Weißen Berg über Steckelsdorf nach Rathenow führt.

In Brandenburg lassen wir den Tag Revue passieren und beobachten die Angler von einer über dem dunklen Fluss gelegenen Veranda aus. Vor Ragösen im Naturpark Hogher Fläming erhebt sich ein Kuppelgewölbe au  Heckenpflanzen, das ein wenig Schatten spendet. Hier im »Süden« ist es entschieden zu heiß und eine Abkühlung im Baruther Urstromtal willkommen. Ich lasse mich urstromabwärts treiben und bade im prämierte Naturbad Dippmannsdorf, das aus 32 Quellen gespeist wird. Kalt, aber paradiesisch.

Vom Horizont grüßen hinter Belzig kiefernbekrönte Tafelberge. Die Landschaft präsentiert sich wie eine Mischung aus Breisgau, Rheintal und Elsass zugleich. Dazu passt bestens der frische Getreidegeruch, der durch das geöffnete Helmvisier hereinströmt. Schnurgerade Alleen aus Robinien führen nach Jüterbog, wo eine Besteigung der beiden Türme von St. Nikolai für die Bandscheibenmassage der derb gepflasterten Straßen entschädigt. Die Sammlung von Holzplastiken in der Kirche ist absolut sehenswert.

Vor Beeskow wallt ein schöner Mischwald im Wind auf, gefolgt von trockenen Kiefern. Frankfurt naht, wo das Kleistmuseum einen Besuch wert ist und das Panorama-Restaurant im berühmten Oder-Turm-Hochhaus einen außergewöhnlichen Rahmen zum Speisen bietet. Bis Lebus folge ich der B112, um anschließend noch einen reizvollen Abstecher durchs Oderbruch zu wagen: Enge Straßen, teils holperig, Alleen gesäumt von Kopfweiden, Obstbäumen, Pappeln oder Erlen. Neuntöter bevölkern die allgegenwärtigen Stromleitungen. Verwunschene, kleine, vorzeitliche Welt.

In Nieschen erklärt mir eine freundliche Dame, dass man bis ans Oderufer fahren kann, was ich mir nicht entgehen lasse, um am trägen Fluss den Anglern zuzusehen. Myriaden kleiner Fische stehen und schwärmen im leicht getrübten, warmen Wasser. Barsche, Welse oder Aale sind hier zu fangen. Aber baden sollte man hier nicht, weil die Strömung in der Mitte sehr stark ist. Im Nu ist eine Stunde am Oderufer dahingetrieben.

Bevor sich der Kreis um Berlin schließt, sollte man sich noch eine kleine Extra-Schleife gönnen: bis nach Hohensaaten, wo sich während der Fahrt ein wunderbarer Abschiedsblick auf die Oder bietet, über Neuendorf, Oderberg, Liepe, Niederfinow, Eberswalde, Biesenthal und Bernau zurück. Berg und Tal bei Liepe, dichte Wälder mit engen Kurven bis Bernau. Berlin hält so lange mit sich hinterm Berg, dass man fast erschrickt, wenn es auftaucht. Irgendwie schön, nach dem »Ausbruch« wieder daheim zu sein.

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