Motorradtour kompakt

Schleswig-Holstein (Mitte)

Schleswig-Holstein, das Land zwischen den Meeren, bietet neben bekannten Touristenmagneten auch unerwarteten Motorradspaß.

Unter Motorradfahrern gilt Schleswig-Holstein als sehr grünes und sehr flaches Land zwischen den Meeren, wo man sonnabends schon sehen kann, wer sonntags zu Besuch kommt. Die Eingeborenen, die dort leben, bezeichnet man als Fischköppe. Sie gelten als wortkarg, sagen den ganzen Tag »Moin moin« und leben vom Fischfang. Die Straßen sind gerade wie ein Lineal, Kurven und spannende Strecken kennen nord deutsche Motorradfahrer nur aus dem Fernsehen. Wie man sich doch täuschen kann!

Motorradtour kompakt – Schleswig Holstein
Reiseinformationen und Karte

Mein Ausritt durch das nördlichste Bundesland startet in Kiel, der Hauptstadt Schleswig-Holsteins. Direkt an der Küste gelegen, bietet die Großstadt mit ihren 270.000 Einwohnern jede Menge maritimes Flair. Wer in der letzten Juniwoche nach Kiel anreist, kann das riesige Spektakel der »Kieler Woche« miterleben, die größte Segelveranstaltung weltweit und sicherlich auch eines der größten Volksfeste.

Ich treibe meine Bimota über die Holtenauer Hochbrücke und genieße den wunderschönen Blick auf die Schleusenanlagen zwischen Ostsee und Nord-Ostsee- Kanal. Dabei reift die Erkenntnis, dass ich ohne zweites Frühstück nicht fahrtüchtig bin, und ich verlasse die Stadtautobahn kurz hinter der Hochbrücke. Am Kanal und den Schleusenanlagen entlang führt mich meine Italienerin zum Thiessenkai. Hier wurden über 100 Jahre lang Schiffe, die durch den Kanal auf große Fahrt gingen, mit Proviant und Material versorgt. Vor ein paar Jahren hat der Schiffsausrüster Thiessen sein Geschäft verkauft und seitdem gibt es hier ein nettes Café mit Blick auf alte Segelschoner und große Schleusentore.

Gestärkt setze ich mich auf meinen Renn-Klassiker und nutze die Stadtautobahn Richtung Dänisch-Nienhof, um zügig aus Kiel herauszukommen. Zu nächst führt mich der Weg auf eine Nebenstrecke Richtung Eckernförde; die Küstenlinie gibt den Weg vor. Wer einen
Blick auf die urige Steilküste zwischen Strande und Eckernförde werfen möchte, findet dazu eine gute Gelegenheit in Dänisch- Nienhof oder in Noer.

Das Fischerstädtchen Eckernförde lasse ich nach einem kurzen Blick auf den romantischen
Hafen zurück und fahre auf der Landstraße nach Waabs, entlang der Eckernförder Bucht. Links, rechts, rauf, runter. Die Straße ist bei den einheimischen Motorradfahrern sehr beliebt, da sie den Rundungen der Landschaft folgt und Kurven in Hülle und Fülle bietet. Leider ist das Tempo aufgrund schwerer Unfälle auf 60 km/h herabgeregelt.

Hinter Waabs quere ich die B203 und befinde mich nun im Herzen von »Schwansen«, einer Landschaft, die für ihren Liebreiz bekannt ist. Rollende Blechdosen gibt es hier nur wenige, so dass ich meine Bimo ohne großes Risiko fliegen lassen kann. Zwischendurch wird immer wieder auf Bummeltempo eingebremst, denn es bieten sich unzählige Blicke auf historische Güter. Von der Fähre aus, die gemächlich über das beliebte Segelrevier tuckert, hat man einen tollen Blick auf Arnis, mit gut 300 Einwohnern die kleinste Stadt Deutschlands.

Die Schlei, für die nächsten zwei Stunden meine Begleiterin, ist eine langgestreckte Förde mit Flusscharakter. Ihr Wasser ist brackig, da ihre Verbindung zur Ostsee aus einer nur wenige Meter breiten Zufahrt besteht. Die Landschaft nördlich der Schlei trägt passenderweise den Namen Angeln. Zwischen Arnis und Lindaunis führt eine kurvenreiche Straße immer wieder unmittelbar an der Schlei entlang und empfiehlt sich mit zahlreichen fantastischen Aussichten auf eine der schönsten Landschaften Norddeutschlands.

Bei sonnigem Wetter ziehe ich gutgelaunt am Hahn und genieße stress freies Kurvenswingen bis Lindaunis mit der imposanten Klappbrücke. In Missunde, im beliebten Ausflugslokal Missunder Fährhaus, besänftige ich auf der Wiese neben der Schlei den knurrenden Magen.

In Missunde geht’s via Fähre auf die Südseite der Schlei, hier schnüre ich als einsamer Wolf durch Fleckeby in Richtung Schleswig. Hätte ich mehr Zeit eingeplant, würde ich im historischen Wikingerdorf Haithabu einen Zwischenstopp einlegen und mir die neuerrichtete Wikingersiedlung mit Wallanlagen ansehen.

Ebenfalls interessant: das Schloss Gottorf, das mit einem originalen Wikinger- Langboot und berühmten Moorleichen aufwartet. Da ich diese Ausstellungen kenne, fahre ich nach einem kurzen Blick auf das Schloss an Schleswig vorbei auf die B201 Richtung Husum. Die Landschaft verändert sich dramatisch, sie ist nicht mehr hügelig und kurz vor Husum bin ich bereits im flachen Marschland. Die durch Theodor Storm berühmt gewordene »Graue Stadt am Meer« betört mit Fischbuden, Krabbenbrötchen und einem Museum zu Ehren des berühmtesten Sohnes der Hafenstadt. Da mein Ziel heute aber Nordstrand heißt, belasse ich es bei Fischbrötchen und Käffchen.

Anschließend geht’s über einen langgestreckten Damm auf die nordfriesische Insel. Genaugenommen ist Nordstrand gar keine Insel mehr, denn durch erfolgreiche Landgewinnung konnte der Nordsee Wattfläche abgerungen werden, so dass Nordstrand fast den Charakter einer Halbinsel hat. Ist mir eigentlich egal, ich freue mich auf das hiesige Nationalgetränk »Pharisäer«, einer Mischung aus Kaffee und Rum, nachdem ich eine Bleibe für die Nacht gefunden habe.

Der nächste Tag beginnt mit einem Frühstück unter freiem Himmel im winzigen Ort Norden, mit Blick auf Nordsee und Halligen. Frisch gestärkt, steht zunächst eine Inselrundfahrt auf dem Programm, und damit ich mich auf der kleinen Insel nicht verfahre, kurve ich am Deich entlang. Genug Zeit, sich an der Westspitze Nordstrands auf einen dieser Erdwälle zu setzen und den geschickten Flugmanövern der Möwen überm Watt zuzusehen. Keine Staus, keine Hektik, keine Kompromisse, kein anderes Moped – ich trotte den Deich hinunter und starte wieder meine exotische Italienerin Richtung Husum.

Auf Nebenstrecken führt mich der Weg zurück Richtung Ostsee via Hollingstedt und Kropp. Eine empfehlenswerte Strecke, denn es herrscht nur wenig Autoverkehr und die Kurvendichte bietet hohen Spaß faktor. Ein kleiner Abstecher an den Westensee führt mich in Rendsburg durch den alten Kanaltunnel, vor dem Bau der Autobahn die wichtigste Querung des Nord-Ostsee-Kanals. Ich erinnere mich noch gut an das aufregende Ereignis der Tunneldurchfahrt mit dem klapprigen Familien-Käfer für uns Kinder.

Jetzt könnte ich auf der A210 kräftig angasen und der Bimota ihren verdienten Auslauf gönnen, aber bei Tempo 120 setzt hier der staatliche Geschwindigkeitsbegrenzer ein, also bleibe ich lieber auf der Landstraße. Über endlose Alleen gelange ich nach Gut Emkendorf mit seinem imposanten Gutshaus.

Am Westensee, Naherholungsgebiet gestresster Kieler, trifft man viele Biker auf ihrem Trip ins Grüne. Die letzte Etappe führt mich zurück nach Kiel, wo die Tour mit einem Cappuccino im Biergarten des Szenelokals »Louf« an der Innenförde endet.

TOURENFAHRER-Newsletter

Mehr frische Infos und Angebote finden Sie im TOURENFAHRER-Newsletter.

Jetzt registrieren